Doctor Fausti Weheklag und Höllenfahrt

Das Habe-nun-Ach für Angewandte Poesie.

Dieses unnötige, ja sinnlose Hin und Her

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Update zu Wenn es Ihnen versagt würde to translate,
Nous sommes Voltaire, Muhammad et Charlie und
Und aber nach fünfhundert Jahren (Das eine wächst, wenn das andre dorrt):

Also ich wollte sagen, dass etwa zu dieser Zeit die Verwirrung durch die, ähm … und die Verwirrung wird all jene verwirren, die nicht wissen, und niemand wird wirklich genau wissen, wo diese kleinen Dinge zu finden sind, die verknüpft sind mit einer Art von Handarbeitszeug, das durch die Verknüpfung verknüpft ist. Und zu der Zeit soll ein Freund seines Freundes Hammer verlieren und die Jungen sollen nicht wissen, wo die Dinge, die jene Väter erst um acht Uhr am vorhergehenden Abend dorthin gelegt hatten, kurz vor Glockenschlag. Dies steht geschrieben im Buch von Sel.

Monty Python: Das Leben des Brian, 1979.

Yvonne De Carlo, wahrscheinlich 1956 als Zipporah, Moses' Frau in Die Zehn GeboteJeder, dem das Denken und Fühlen noch nicht vollends ausgetrieben ist, hätte lieber einen Orient wie aus Tausendundeiner Nacht, wie aus dem West-östlichen Divan, wie bei Friedrich Rückert oder wenigstens wie aus den Almanachen von Wilhelm Hauff. Einen voller üppig gesponnener Märchen, unerschütterlich weltoffener Weisheit, phantasievoller Sachen zum Rauchen und einer Friedfertigkeit, von der sich jeder abendländische Giaur noch was abschneiden kann. Schön wär’s, wirklich wahr.

Fast noch schöner wäre ein Orient voll trotteliger Besatzer, lebensmutiger Ex-Leprakranker und Heilsversprechen an allen Ecken und Enden, die auch nicht surrealer sind als die ohnehin vorgefundene Lebenswirklichkeit. Und wenn man es mal so herzählt, muss einem ein Klamaukfilm wie Das Leben des Brian erschütternd lebensnah vorkommen, auch wenn er 600 Jahre vor der Erfindung des Islams spielt.

Nun ist der islamische Humor leider sehr körperbetont, also meist auf Schadenfreude ausgerichtet. In seinen gesprochenen Manifestationen darf und sollte er geistreich sein, aber keine Unwahrheit aussprechen — was alle Formen der Ironie gesetzlich ausschließt. Natürlich macht ihn das zu einem reinen, nun ja: Minenfeld.

Es scheint, der stets wahrhaftige Hans Mentz von der Titanic ist 2015 auf etwas gestoßen, worauf sich die virulentesten Weltreligionen einigen könnten. Mir war nicht klar, dass der Mann so wichtig ist.

——— Hans Mentz:

Slapstick am Sinai

aus: Humorkritik in: Titanic, September 2015, Seite 49:

Daß es gar nicht so leicht ist, mit Heilsgestalten Komik zu erzeugen, haben auch die Spitzenkräfte von Monty Python erfahren: Wenn jemand ein „gutes Leben“ vorlebt, dann riskieren die, die sich drüber lustigmachen, als inhuman zu gelten. Nicht von ungefähr heißt der Held aus „Life of Brian“ auch Brian und nicht Jesus. Was aber, wenn im heiligsten aller Bücher selbst drollige Sachen passieren? Vor über zwanzig Jahren schrieb Hans Schmoldt seine im Reclam-Verlag erschienene Einführung in das Alte Testament und faßt dort vorbildlich-sachlich zusammen, was sich laut der Überlieferung des Pentateuch am Sinai zugetragen haben soll: „Am Sinai wird Moses mehrfach auf den Berg hinaufkommandiert und steigt mehrfach wieder herab: Er steigt zu Gott hinauf (2. Mose 19,3); in 19,7–8a wird vorausgesetzt, daß er herabgestiegen ist; er steigt vom Berg herab (19,14); er steigt auf den Berg hinauf (19,20); er steigt herab (19,27 [womit 19,24–25 gemeint sein muss]); jetzt (!) verkündet Gott die zehn Gebote (20,1–17); Moses nähert sich Gott, steigt also hinauf (20,21); er soll zu Jahwe hinaufsteigen (24,1); er steigt auf den Berg hinauf (24,13b); er steigt auf den Berg hinauf (24,15a).“ Lakonisch folgert Schmoldt: „Dieses unnötige, ja sinnlose Hin und Her zwingt zu der Annahme, daß hier mehrere Bearbeiter, Ergänzer am Werk waren“. Gut möglich. Mich aber erfreut vielmehr meine eigene Exegese: daß der Jahwist schlicht Gefallen hatte an der Vorstellung, ein wie Charlton Heston aussehender Moses steige wie toll immer wieder auf einen Berg, auf dem er schon längst droben ist, und kriegt die Gesetzestafeln just dann in die Hand gedrückt, wenn er sich eigentlich gerade unten aufhält. Wenn ich, in meinem gleichfalls annähernd biblischen Alter, noch einen Pfarrer empfehlen soll, dann den gelehrten Hans Schmoldt mit seinem makellosen Timing.

Pietro Perugino, Viaggio di Mosè e circoncisione del suo secondo figlio, 1481--1483Das interessiert mich jetzt, wie sich diese neun Stellen — wenn wir die eigentlichen zehn Gebote ausnehmen — geballt anhören. Die Luther-Übersetzung 1545 letzter eigener Hand, der ich fast soviel glaube wie der monatlichen Humorkritik von Hans Mentz, sagt:

——— Exodus 19,3:

Vnd Mose steig hin auff zu Gott. VND der HERR rieff jm vom Berge / vnd sprach / So soltu sagen zu dem hause Jacob / vnd verkündigen den kindern Jsrael.

——— Exodus 19,7–8a:

MOse kam / vnd foddert die Eltesten im volck / vnd legt jnen alle diese wort fur / die der HERR geboten hatte. Vnd alles volck antwortet zu gleich / vnd sprachen / Alles was der HERR geredt hat / wöllen wir thun / Vnd Mose sagt die rede des Volcks dem HERRN wider.

——— Exodus 19,14:

Mose steig vom Berge zum Volck / vnd heiliget sie / vnd sie wusschen jre Kleider.

——— Exodus 19,20:

ALS nu der HERR ernider komen war auff den berg Sinai / oben auff seine spitzen / foddert er Mose / oben auff die spitze des Bergs / Vnd Mose steig hin auff.

——— Exodus 19,24–25:

Vnd der HERR sprach zu jm / Gehe hin / steige hinab / Du vnd Aaron mit dir / solt herauff steigen / Aber die Priester vnd das Volck sollen nicht her zu brechen / das sie hinauff steigen zu dem HERRN / das er sie nicht zuschmettere. Vnd Mose steig hervnter zum Volck / vnd sagts jnen.

——— Exodus 20,21:

Also trat das volck von ferne / Aber Mose macht sich hinzu ins tunckel / da Gott innen war.

——— Exodus 24,1:

VND zu Mose sprach er / Steig erauff zum HERRN / du vnd Aaron / Nadab vnd Abihu / vnd die siebenzig Eltesten Jsrael / vnd betet an von ferne /

——— Exodus 24,13b:

Da macht sich Mose auff / vnd sein diener Josua / vnd steig auff den berg Gottes / vnd sprach zu den Eltesten / Bleibt hie / bis wir wider zu euch komen / Sihe / Aaron vnd Hur sind bey euch / Hat jemand eine Sache der kome fur die selben.

——— Exodus 24,15a:

DA nu Mose auff den Berg kam / bedeckt eine wolcke den berg / Vnd die Herligckeit des HERRN wonete auff dem berge Sinai / vnd decket jn mit der wolcken sechs tage / vnd rieff Mose am siebenden tage aus der wolcken.

Körpernaher Slapstick, dem man je nach Neigung schadenfroh begegnen kann, dabei nicht geistlos. Da lacht der Großstadthipster mit dem Barte des Propheten um die Wette. Gott ist groß.

Bilder: Yvonne De Carlo, wahrscheinlich 1956 als Zipporah, Moses‘ Frau in Die Zehn Gebote via Evie, 2012;
Pietro Perugino: Zipporah (3. v. l. in Blau) als Detail in Viaggio di Mosè e circoncisione del suo secondo figlio, zwischen 1481 und 1483 (circoncisione heißt Beschneidung).
Filmbeleg: The Ten Commandments, 1956, als Playlist.
Übrigens mit „Lily Dracula-Munster“ als Moses‘ Frau Zippora.

Written by Wolf

22. Juli 2016 um 00:01

Veröffentlicht in Ägyptische Antike, Glaube & Eifer

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