Archive for August 2015
Der sehr junge Goethe und sein Vorhangstoff
Update zum 265.:
„Hast du des gwisst: dass der Goethe a direkter Nachfahre vom Lucas Cranach is?“
„Lucas Cranach dem Ältern oder dem Jüngern?“
„Depp.“
Nachbartisch am Schinderstadl, Thalkirchen, August 2015.
Heute wird Goethe 266 Jahre alt, was nicht seine geringste Leistung ist — eine rein quantitative, aber doch die doppelte, wie wenn er erst 133 würde. Auch wenn wir alle sie dereinst erfüllen werden, war Goethe schneller.
Bettine von Arnim, zu dieser Zeit noch unter ihrem Geburtsnamen Brentano, besuchte 1806 die „Frau Aja„, Goethes Mutter, um sie über ihren Sohn auszufragen. Die einen nennen es Verehrung, andere ein Interview, wieder andere Recherche für Goethes Briefwechsel mit einem Kinde, noch andere Stalking. Jedenfalls erwuchs daraus eine Frauenfreundschaft, die früher anfing und später endete als Bettinens Freundschaft mit dem Meister selbst.
1810 war Bettine schon an Goethe als seine glühende Verehrerin, man hätte später gesagt: als sein Fan, herangetreten — wobei das 25-jährige „Kind“ als Schwester des literarisch hervorgetretenen Clemens Brentano keine vollends Dahergelaufene war. Im entstandenen Briefwechsel hatte er ihr im Oktober 1810 von dem Entschluss berichtet, seine Autobiographie zu schreiben, und sie um Hilfe gebeten — der Traum eines jeden Fans. Daraufhin berichtete sie ihm, was sie 1806 von seiner eigenen Mutter und über seine eigene früheste Jugend von Goethes Mutter erfahren hatte. Obwohl Goethe bis zuletzt gut mit seiner Mutter auskam, starb die Dame 1808, als er ernsthaft mit seiner Autobiographie anfing. Wahrscheinlich verwendete er deshalb Bettines Auskünfte für Dichtung und Wahrheit und Aristeia der Mutter.
Die Biedermannsche Ausgabe der Goethe-Gespräche, einst ein sagenumwobenes Objekt kennerhafter Begehrlichkeiten, wird heute für ein Nichts verramscht, sogar in stark erweiterter Form, und nicht sehr fleißig gekauft, weil dtv die sechs umfänglichen Bände als etwas unspektakuläre Taschenbücher im hässlichsten Rot, das sie gefunden haben, ausgestattet hat. Bettines Briefwechsel müsste sich dafür, dass es über zwei Jahrhunderte alt ist, sehr viel besser verkaufen, weil es von der einnehmendsten aller feministischen Ikonen stammt und Einblick ins Privatleben gleich zweier Klassiker verspricht. Bettine hat aber die Briefe in beide Richtungen so stark literarisch bearbeitet, dass sie als Fiktion gelten müssen. Die zwei folgenden Briefe stehen dort nicht, vielmehr sind es die allerersten aus der Biedermannschen Sammlung, mithin authentisch.
Es mag an ein Sakrileg grenzen, aber ich habe Enwände gegen die Biedermann-Text. Dass Bettine oder wenigstens Bettina zu Zeiten des Geschehens und der Niederschrift noch Brentano hieß, aber durchgehend als von Arnim geführt wird, mag einer Verwechslung entgegenwirken, typographisch aber wird an keiner Stelle klar, ob drei Punkte so als Satzzeichen in den Vorlagen stehen oder als Auslassungspunkte fungieren. Vor allem finde ich mindestens einen eindeutigen Druckfehler schon auf der zweiten Seite; falls die zwei, drei anderen Stellen, an denen ich auf diesen zwei Seiten ernstlich zweifle, keine Satzfehler sind, hätten sie einen Kommentar vertragen. Und der Kommentar ist in seinen eigenen — vierten — Band ausgelagert, ein fünfter enthält Nachträge, die man getrost in die Chronologie einarbeiten könnte, und das meiste Primärmaterial, das thematisch zusammengehört, ist in einen Band 3.1 und 3.2 zerrissen. Nichts gegen work in progress, nur leider heißt mich der seit Jahren geltende Niedrigpreis dieses wahrhaft unersetzlichen, nie wieder so zusammenstellbaren Standardwerks fürchten, dass es das wohl bis auf weiteres war mit der den verbesserten Auflagen.
Immerhin finden sich im Kommentar aufschlussreiche fun facts, wie dass der Stoff zu den im ersten Brief erwähnten blau gewürfelten Vorhängen nachweisbar geblieben ist: im Inventar des Vermögens von Goethes 1730 verstorbenem Großvater väterlicherseits, Friedrich Georg Göthe.
Übrigens würde sich die chronologische Anordnung dieses zugegeben enormen Korpus als Darstellung in einem Weblog anbieten, der am 28. August 1749 anfängt und erst lange nach den 22. März 1832 versiegt. Eine monumentale Aufgabe. Ich fang schon mal an.
Alles Gute zum 266., Herr Geheimrat!
——— Bettina von Arnim an Goethe, 4. November 1810:
Und somit begreifst Du mich, wenn ich Dir erzähle, daß das Wochenbett Deiner Mutter blau gewürfelte Vorhänge hatte, worin sie Dich zur Welt brachte? Sie war damals 18 Jahre alt und ein Jahr verheiratet. Drei Tage bedachtest Du Dich, eh Du ans Weltlicht kamst, und machtest der Mutter schwere Stunden; aus Zorn, daß Dich die Not aus dem eingebornen Wohnort trieb, und durch die Mißhandlung der Amme kamst Du ganz schwarz und ohne Lebenszeichen. Sie legten Dich in einen sogenannten Fleischarden mit Wein und bäheten dir die Herzgrube, ganz an Deinem Leben verzweiflend. Deine Großmutter stand hinter dem Bett; als Du zuerst die Augen aufschlugst, rief sie hervor: Räthin! er lebt! „Da erwachte mein mütterliches Herz und lebte seitdem in fortwährender Begeistrung bis zu dieser Stunde“, sagte sie mir in ihrem fünfundsiebzigsten Jahr. Dein Großvater, der der Stadt ein herrlicher Bürger und damals Syndikus war, wendete stets Zufall und Unfall zum Wohl der Stadt an, und so wurde auch Deine schwere Geburt die Veranlassung, daß die Staddt einen Accoucheur für die Armen einsetzte. „Schon in der Wiege war er den Menschen eine Wohltat“, sagte die Mutter. Sie legte Dich an ihre Brust; allein Du warst nicht zum Saugen zu bringen. Da wurde Dir die Amme gegeben: „An dieser hat er mit rechtem Appetit und Behagen getrunken; da es sich nun fand“, sagte sie, „daß ich keine Milch hatte, so merkten wir bald, daß er gescheuter gewesen war wie wir alle, da er nicht an mir trinken wollte.“
——— Bettina von Arnim an Goethe, 12. November 1810:
Von seiner Kindheit. Wie er schon mit neun Wochen ängstliche Träume gehabt, wie er allerlei sonderbare Gesichter geschnitten und, wenn er aufgewacht, in ein sehr betrübtes Weinen verfallen, oft auch sehr heftig geschrieen hat, so daß ihm der Atem entging und die Eltern für sein Leben besorgt waren; sie schafften eine Schelle an: wenn sie merkten, daß er im Schlaf unruhig ward, schellten und rasselten sie heftig durcheinander, damit er bei dem Aufwachen gleich den Traum vergessen möge. Als ihn einst die Tante auf dem Arm hatte, fiel er pötzlich auf ihr Gesicht mit dem seinigen, und geriet dadurch so außer sich, daß ihm der Vater stets Luft einblasen mußte, damit er nur nicht ersticke…
Er war so schön, daß ihn seine Wärterin nicht wohl durch eine volkreiche Straße tragen konnte, weil alle Menschen sich herandrängten, ihn zu sehen; auch begehrten Frauen, die gesegnetes Leibes waren, ihn zu sehen; jedoch ist in seiner Vaterstadt keine Spur von Ähnlichkeit mit ihm zu bemerken. […]
Er spielte nicht gern mit kleinen Kindern, sie mußten denn sehr schön sein. In einer Gesellschaft fing er plötzlich an zu weinen; da man ihn nach der Ursache fragte, schrie er: das schwarze Kind kann ich nicht leiden, das soll hinaus; er hörte auch nicht auf, bis er nach Hause kam, wo ihn die Mutter befragte über die Unart: er konnte sich nicht trösten über des Kindes Häßlichkeit. Damals war er drei Jahr alt …
Zu der kleinen Schwester Cornelie hatte er, da sie noch in der Wiege lag, schon die zärtlichste Zuneigung; er steckte heimlich Brot in die Tasche, und stopfte es dem Kind in den Mund, wenn es schrie. Wollte man es wieder nehmen, so ward er gewaltig zornig, kletterte an den Leuten hinauf und raufte ihnen die Haare aus; er war überhaupt viel mehr zum Zürnen wie zum Weinen zu bringen. — Die Küche im Haus ging auf die Straße; an einem Sonntag-Morgen, da alles in der Kirche war, geriet der kleine Wolfgang hinein, erwischte ein Geschirr und warf’s zum Fenster hinaus; das Rappeln freute ihn gar sehr, die Nachbarn hatten auch ihre Freude dran: nun warf er in großer Eil alles, was er langen konnte, hinaus; wie er bald fertig war, kam die Mutter dazu, und lachte mit.
Im Umgang mit „Hätschelhans“ zwischen 1749 bis 1752 erkenne ich großen familiären Rückhalt. Aus dem Buben konnte noch was werden.
Die Quellenlage zu Bildern aus Goethes Kindheit ist leider sehr dünn. Hier sind verwendet:
Johann Wolfgang Goethes Geburts- und Taufeintrag im Frankfurter evangelischen Taufbuch von 1749 von einem nicht bezeichneten Priester, Historisches Museum Frankfurt am Main, gemeinfrei;
Johann Ludwig Ernst Morgenstern: Cornelia Schlosser, geborene Goethe, ca. 1770, Rötel und schwarze Kreide über Bleistift, gemeinfrei;
Johann Conrad Seekatz: Die Familie Goethe im Schäferkostüm, 1762;
Andreas Praefcke: Denkmal für Catharina Elisabeth Goethe im Frankfurter Palmengarten, 1. Januar 2005, GNU Free Documentation License.
Das sind die Realitäten und die muss der Mensch vertreten
Update zu So eine Art Käse-Cocktail oder Mehl-Flip:
Was bin ich diesem Gedicht nachgerannt. Ein Radiomoderator beim Bayerischen Rundfunk hat es in meiner Kindheit in einer Faschingssendung verlesen. Von einigem Hin und Her genervt schickte er mir begleitet von einer Photokopie der Pretiose die Bitte, dass ich nächstes Mal gefälligst Rückporto beilegen sollte.
Es klingt stark nach der Feierabendlyrik unterforderter Studienräte. Weil Studienräte in ihren Fehlleitungen weit weniger Schaden damit anrichten, wenn sie Gedichte verfassen als wenn sie Knaben missbrauchen, wollen wir Zeilen wie „Das sind die Realitäten und die muss der Mensch vertreten“ oder „Gönnt dem Mond doch seine Krater“ das Zeug zum Klassiker zugestehen. Aber hallo.
Ein Gedicht nach diesem Vorbild trug mir später siebzehnjährig mein erstes Schreiberhonorar von der Mundartseite der Nürnberger Nachrichten ein. 30 Mark. Hölle, war ich stolz. — Noch später spiegelte es meine eigene Lebensweise wider. Darauf war ich noch viel stolzer.
Es folgt die penible Abschrift der Photokopie des Moderatoren von etwa 1984. An dieser Stelle: Danke nochmal!
——— Henry Grocholl:
Promillomatorische Aphorismen
vor 1984:
— „Keine Rose ohne Gräten!“ —
— Dornen trägt jedweder Fisch! —
Das sind die Realitäten
und die muß der Mensch vertreten!
— Prost Herr Ober! Durst hält frisch! —Sportlich ist der Zug der Klimme!
— Heissa Stier, reich mir dein Horn! —
Eines echten Mannes Stimme
braucht zur Klarheit keine Kimme
denn die Wahrheit liegt im Korn!Platz ist in der kleinsten Hütte
für ’nen Kopf und –hicks!– ein Bett!
— Ich hab Sehnsucht nach Brigitte —
Ober… noch ein Helles bitte…
— ohne Senf und nicht so fett —Alle Schuld rächt sich auf Erden
— wehe dem, der falsch geparkt! —
Doch was helfen die Beschwerden:
Heute muß die Glocke werden!
… hat schon Wilhelm Busch gesagt…Schämt euch, Freunde, einen Kater
an die Gasthaus-Wand zu mal’n!
Wien bleibt Wien, sowohl als Prater!
— Gönnt dem Mond doch seine Krater! —
… Prost, Herr Ober!: Bitte zahl’n…
Bild: William-Adolphe Bouguereau: Bacchante, 1894.
Solotanz: Salmy Hayek in: From Dusk Till Dawn, 1996,
zu Tito & Tarantula: After Dark, 1996;
Paartanz: Uma Thurman und John Travolta in: Pulp Fiction, 1994,
zu Chuck Berry: You Never Can Tell, aus: St. Louis to Liverpool, 1964.
Damals gab es keine
Update zu Das gotische Mahl-Stüblein:
Offiziell bin ich zugereister Frankenbeutel immer noch in der Communitas Monacensis e. V.; jedenfalls wurde ich nach immer noch keiner Mitgliederversammlung, ordentlich oder außerordentlich, rausgeschmissen. Voraussichtlich werde ich austreten müssen, wenn ich endlich die aufgelaufenen Jahresbeiträge nachbegleichen soll – es heißt nicht „Jahrzehntbeitrag“ –, aber bis jetzt lassen sie mich, weil ich meine klandestine Mitgliedschaft nie missbrauche, um mir freien Eintritt zu den üblichen Mittelaltermärkten zu ergaunern.
Sooft ich auf unseren Reenactments dabei war, hab ich nur die besten Erinnerungen davongetragen. „Erlebte Geschichte von 1158 bis 1330, die Spaß macht. Mit uns kann man das hochmittelalterliche München noch einmal in seiner gesamten Pracht erleben“, steht in der Eigendarstellung des Vereins. Die Hauptsache waren mir aber immer die freundlichen, ganz und gar grundguten Menschen, die es in einen Mittelalterverein treibt, der seine authentische Darstellungsweise dermaßen hochhält, dass er vor lauter A nicht mal mehr zum Münchner Stadtfest, dem Hochfest des Hochmittelalters in der eigentlichen Communitas Monacensis, eingeladen wird und es nicht bedauert: Solche sind Dickbrettbohrer. Einer hat sich mal dafür entschuldigt, dass er die Holznadel, mit der er seine Gewandung genäht hat, leider nur mit einem industriell gefertigten Messer schnitzen konnte.
Die Wölfin hat sich immer geweigert beizutreten, weil sie selbstständig schafft und praktisch keine Wochenenden hat – und weil sie das Mittelalter missbilligt – jawohl, alle elfhundert Jahre –, seit sie gehört hat, dass es damals keine Tampons gab.
Wie ja überhaupt die meisten Sätze, mit denen der verarmte Schreiber, den ich aus Gründen darzustellen beliebe (ungefähr so einen wie Paul Bettany als Geoffrey Chaucer in A Knight’s Tale von 2001, bloß nicht so laut), Marktbesuchern das Mittelalter und vor allem die eigenen Vereinsaktivitäten erklären muss, anfangen mit: „Damals gab es kein/-e/-n“ – Zutreffendes einsetzen, das eigentlich beliebig ist: Geglaubt wird einem Gewandeten an dieser Stelle alles.
Meine Lieblingsfragen waren von Anfang an: „Ist das Essen echt?“ und „Brennt das Feuer wirklich?“ Gerade wegen der touristischen Leichtgläubigkeit wird der verantwortungsvolle Gewandete mit seinem Bildungsauftrag in einem gemeinnützigen Verein davon Abstand nehmen, Irrtum und Unwissenheit unter den Besuchern aus Zores noch zu befördern. Darum sagt man nicht: Nö, rohen Stangensellerie kann man doch nicht essen und was wie Apfelschorle aussieht, ist natürlich eine Simulation auf Bierbasis, rülps, oder: Nein, damals gab es noch kein richtiges Feuer, das musste man immer ganz, ganz umständlich holographisch erzeugen, sondern: Ja, aus gemahlenem Getreide kann man richtiges Brot machen und es hinterher essen, und das Feuer brennt in echt, nicht mit dem Finger hineinstochern, und in meine Tintenfässer bitte auch nicht, schönen Tag noch.
Die wenigsten Gegenstände, die es zwischen Frühmittelalter und Spätmoderne nicht gab, waren jemals ein Verlust.
——— Peter Panter, i. e. Kurt Tucholsky:
Schnipsel
in: Die Weltbühne Nr. 25, 21. Juni 1932, Seite 937:
Die Leute blicken immer so verächtlich auf vergangene Zeiten, weil die dies und jenes „noch“ nicht besaßen, was wir heute besitzen. Aber dabei setzen sie stillschweigend voraus, dass die neuere Epoche alles das habe, was man früher gehabt hat, plus dem Neuen. Das ist ein Denkfehler.
Es ist nicht nur vieles hinzugekommen. Es ist auch vieles verloren gegangen, im guten und im bösen. Die von damals hatten vieles noch nicht. Aber wir haben vieles nicht mehr.
Blumenmädchen: Living History, 13. Juli 2015;
Moderne Mädchen: Mariano Vargas: Soltanto Madonne, 2012.
Amelia Earhart’s Favorite Poem
Update for On the Second of July, Her Plane Fell in the Ocean Far Away:
Ever since Amelia Earhart’s 2009 biopic Amelia, we know through the adorable Hilary Swank’s performance what a lovable person Amelia Earhart was. Since the haunting Ms. Swank has won even two Oscars as Best Actrice, we cannot believe her performance a word.
The Academy of American Poets, alive and dangerous since 1934, just featured from their archives, on the occasion of Earhart’s 118th birthday, a letter, which founder Marie Bullock received from her, on the occasion of a letter survey in 1936.
There was time when print magazines used to molest celebrities with postal surveys a lot. Of course, the Academy’s question was about poetry. Questionably, they were trying to draw a perfectly peachy keen aviatrice into poetical matters. At least, we finally get to know Amelia Earhart’s New York address in 1936, less than one year before her disappearance, less than two years before her declared death in absentia, and best of all, we finally get evidence from her own private mail what a poised and lovable person she was.
Seeing her admit to love poetry, but refuse expertise in four compelling friendly sentences on a tidily typed postcard format, and you know why Ms. Earhart, declared dead at age 41, still is called a grande dame.
——— Amelia Earhart to Marie Bullock, May 8th, 1936:
Amelia Earhart
2 West 45th Street,
New York City,
May 8, 1936My dear Mrs. Bullock:
Your letter of April 21 asking for a „favorite“ poem forces the confession from me that I do not have the kind of mind which can select such a one. Of course, certain verse appeals to me more than some other. Still, I should feel a traitor to my personal definition of beauty if I picked a few lines to cherish above all the rest.
Please forgive me for not complying with your request.
Sicerely yours,
Amelia Earhart
Second best of all, this is the occasion to feature one of my all-time favorite songs — written one day after Ms. Earhart’s disappearance and the first one ever performed on commercial television —, not claiming any expertise in aviation, biography, or Country music.
A few lines to cherish: Freakwater: Amelia Earhart,
from: Feels Like the Third Time, 1994:
1.: Just a ship out on the ocean, just a speck against the sky,
Amelia Earhart flies in her plane.
With her partner, Captain Noonan, on the second of July,
her plane fell in the ocean far away.Chorus: There’s a beautiful, beautiful field,
far away in a land that is fair.
Happy landing to you, Amelia Earhart,
farewell, first lady of the air.2.: Half an hour later, when her SOS was heard,
her signals weak, but still her voice was brave.
In shark-infested waters her plane went down that night
in the blue Pacific to a watery grave. — Chorus.3.: Now you heard my story of this awful tragedy,
We pray that you might fly home safe again.
In years to come, though others blaze a trail across the sea,
we’ll not forget Amelia in her plane. — Chorus.
Images: Amelia Earhart via Academy of American Poets: Letter to Marie Bullock, July 24th, 2015,
Underwood & Underwood, Washington, for The United States Library of Congress’s Prints and Photographs Division: Studio portrait of Amelia Earhart, c. 1932. Her husband George P. Putnam specifically instructed Earhart to disguise a „gap-toothed“ smile by keeping her mouth closed in formal photographs;
Pacific Aviation Museum: Amelia Earhart in Hawaii, 1935.
Grillen mit Homer
Update zu So eine Art Käse-Cocktail oder Mehl-Flip und Murrst:
Höre mich jetzt, Eumaios, und hört, ihr übrigen Hirten!
Rühmend red‘ ich ein Wort, vom betörenden Weine besieget,
Welcher den Weisesten oft anreizt zum lauten Gesange,
Ihn zum herzlichen Lachen und Gaukeltanze verleitet,
Und manch Wort ihm entlockt, das besser wäre verschwiegen.
Aber weil das Geschwätz doch anfing, will ich’s vollenden.Homer: Odyssee, XIV. Gesang, Zeile 462 bis 467, ca. 800 vor Christus.
Wer hätte geglaubt, dass selbst die Odyssee erheiternde Momente hat. Für Stellen wie „Gott gibt uns dieses, und jenes versagt er, wie es seinem Herzen gefällt; denn er herrschet mit Allmacht“ wünscht man sich eigene Altgriechischkenntnisse, um sich nicht allein auf die — unzweifelhaft seit über zwei Jahrhunderten maßgebliche und vorbildlich genaue — Übersetzung von Johann Heinrich Voß verlassen zu müssen; das ist nämlich in einer vorarchaischen Geschichte in auffallender Weise die gewinnende Resignation vor der höheren Gewalt, wie man sie eigentlich erst im Christentum erwartet. Der Satz ist dem Schweinehirten Eumaios zugeteilt, der nicht zu besonderer Tapferkeit, gar Heldentum verpflichtet ist. Dann aber erfreut wiederum die fein unterscheidende Charakterzeichnung. So oder so muss erstaunen, wie lange dramaturgische Regeln schon gelten: noch bevor sie formuliert wurden.
Voß hat erst die Odyssee übersetzt (1781), danach die Ilias (1793). Darum, von wann und von wem seine Vorlagen stammen, ja ob jemand namens Homer überhaupt jemals gelebt hat, tobt eine zähere, sehr viel besser begründete Kontroverse als um Shakespeare. Sollte ein Homer auf Erden gewandelt, gesungen und geschrieben haben, wäre dem Gang der Handlung nach die Ilias sein Jugend-, die Odyssee sein Alterswerk; dazwischen entstanden Homerische Hymnen (die wir uns wegen gesteigerten Interesses beizeiten vornehmen werden).
Um 800 vor Christus waren die Griechen noch lebensfroh — mit so viel und so wenig Grund wie heute: Dauernd musste in irgendeinen Krieg gezogen werden, der allerdings als Einrichtung noch bis ungefähr 1915 nach Christus in viel besserem Ruf stand als seit 1945. Immerhin gab es offenbar reichlich und handfest zu essen. Homer (oder wer auch immer) überliefert sogar das Rezept für eine Variation der Fünffachen Schale, auch wenn Voß Weinmus dazu sagt. Ansonsten gibt es viel Schweinernes nach einem Verfahren, das man als gegrillt ansprechen muss. Ich bitte wie immer um freundliche Nachricht, wenn noch mehr Stellen zu diesem Thema auffallen!
Kann man eigentlich aus Schwein Stifado machen?
——— Homer: Ilias, VIII. Gesang, Zeile 542 bis 565 (der Schluss):
Also redete Hektor; und laut herriefen die Troer.
Sie nun lösten die Rosse, die schäumenden unter dem Joche,
Banden sie dann mit Riemen, am eigenen Wagen ein jeder.
Schnell nun führte man Rinder zum Schmaus‘ und gemästete Schafe
Her aus der Stadt; auch Wein, den herzerfreuenden, trug man
Reichlich, und Brot aus den Häusern, und Holz auch las man in Menge.
Und man brachte den Göttern vollkommene Festhekatomben;
Und dem Gefild‘ entwallte der Opferduft in den Himmel,
Süßes Geruchs: doch verschmäheten ihn die seligen Götter,
Abgeneigt; denn verhasst war die heilige Ilios jenen,
Priamos selbst, und das Volk des lanzenkundigen Königs.Sie dort, mutig und stolz, in des Kriegs Abteilung gelagert,
Saßen die ganze Nacht; und es loderten häufige Feuer.
Wie wenn hoch am Himmel die Stern‘ um den leuchtenden Mond her
Scheinen in herrlichem Glanz, wann windlos ruhet der Aither;
Hell sind rings die Warten der Berg‘, und die zackigen Gipfel,
Täler auch; aber am Himmel eröffnet sich endlos der Aither;
Alle nun schaut man die Stern‘, und herzlich freut sich der Hirte.
So viel, zwischen des Xanthos Gestad‘ und den Schiffen Achaias,
Loderten, weit erscheinend vor Ilios, Feuer der Troer.
Tausend Feuer im Feld‘ entflammten sie; aber an jedem
Saßen fünfzig der Männer, im Glanz des lodernden Feuers.
Doch die Rosse, mit Spelt und gelblicher Gerste genähret,
Standen bei ihrem Geschirr, die goldene Früh‘ erwartend.
——— Homer: Ilias, XI. Gesang, Zeile 624 bis 643:
Weinmus mengte nun ihnen die lockige Hekamede,
Die aus Tenedos brachte der Greis, wie Achilleus sie einnahm,
Tochter des hochgesinnten Arsinoos, die die Achaier
Ihm erwählt, dieweil er im Rat vorragte vor allen.
Diese rückte zuerst die schöne geglättete Tafel
Mit stahlblauem Gestell vor die Könige; mitten darauf dann
Stand ein eherner Korb mit trunkeinladenden Zwiebeln,
Gelblicher Honig dabei, und die heilige Blume des Mehles;
Auch ein stattlicher Kelch, den der Greis mitbrachte von Pylos:
Welchen goldene Buckeln umschimmerten; aber der Henkel
Waren vier, und umher zwei pickende Tauben an jedem,
Schön aus Golde geformt; zwei waren auch unten der Boden.
Mühsam hob ein andrer den schweren Kelch von der Tafel,
War er voll; doch Nestor der Greis erhob ihn nur spielend.
Hierin mengte das Weib, an Gestalt den Göttinnen ähnlich,
Ihnen des pramnischen Weins, und rieb mit eherner Raspel
Ziegenkäse darauf, mit weißem Mehl ihn bestreuend,
Nötigte dann zu trinken vom wohlbereiteten Weinmus.
Beide, nachdem sie im Tranke den brennenden Durst sich gelöschet,
Freueten sich des Gesprächs, und redeten viel miteinander.
——— Homer: Odyssee, XIV. Gesang, Zeile 72 bis 82:
Also sprach er; und schnell umband er den Rock mit dem Gürtel,
Ging zu den Köfen, worin der Ferkel Menge gesperrt war,
Und zwei nahm er heraus, und schlachtete beide zur Mahlzeit;
Sengte sie, haute sie klein, und steckte die Glieder an Spieße,
Briet sie über der Glut, und setzte sie hin vor Odysseus,
Brätelnd noch an den Spießen, mit weißem Mehle bestreuet;
Mischte dann süßen Wein in seinem hölzernen Becher,
Setzte sich gegen ihm über, und nötigt‘ ihn also zum Essen:
Iss nun, fremder Mann, so gut wir Hirten es haben,
Ferkelfleisch; die gemästeten Schweine verzehren die Freier,
Deren Herz nicht Furcht vor den Göttern kennet, noch Mitleid.
——— Homer: Odyssee, XIV. Gesang, Zeile 100 bis 117:
Rinderherden sind zwölf auf der Feste, der weidenden Schafe
Eben so viel, auch der Schweine so viel, und der streifenden Ziegen.
Mietlinge hüten sie teils, und teils leibeigene Hirten.
Hier in Ithaka gehn elf Herden streifender Ziegen
Auf entlegenen Weide, von wackern Männern gehütet.
Jeder von diesen sendet zum täglichen Schmause den Freiern
Immer die trefflichste Ziege der fettgemästeten Herde.
Unter meiner Gewalt und Aufsicht weiden die Schweine,
Und ich sende zum Schmause das auserlesenste Mastschwein.
Also sprach er; und schnell aß jener des Fleisches, begierig
Trank er des Weins, und schwieg; er dachte der Freier Verderben.
Als er jetzo gespeist, und seine Seele gelabet,
Füllete jener den Becher, woraus er zu trinken gewohnt war,
Reichte den Wein ihm dar; und er nahm ihn mit herzlicher Freude,
Redete jenen an, und sprach die geflügelten Worte:
Lieber, wer kaufte dich denn mit seinem Vermögen? Wie heißt er,
Jener so mächtige Mann und begüterte, wie du erzählest,
Und der sein Leben verlor, Agamemnons Ehre zu rächen?
——— Homer: Odyssee, XIV. Gesang, Zeile 409 bis 456:
Also besprachen diese sich jetzo untereinander.
Und nun kamen die Schwein‘ und ihre Hirten vorn Felde.
Diese schlossen sie drauf in ihre Ställe zum Schlafen,
Und laut tönte das Schreien der eingetriebenen Schweine.
Aber seinen Gehilfen befahl der treffliche Sauhirt:
Bringt das fetteste Schwein, für den fremden Gast es zu opfern,
Und uns selber einmal zu erquicken, da wir so lange
Um weißzahnige Schweine Verdruss und Kummer erduldet,
Während andre umsonst all‘ unsere Mühe verprassen!
Also sprach er, und spaltete Holz mit dem grausamen Erze.
Jene führten ins Haus ein fett fünfjähriges Mastschwein,
Stellten es drauf an den Herd. Es vergaß der treffliche Sauhirt
Auch der Unsterblichen nicht, denn fromm war seine Gesinnung!
Sondern begann das Opfer, und warf in die Flamme das Stirnhaar
Vom weißzahnigen Schwein, und flehte den Himmlischen allen,
Dass sie dem weisen Odysseus doch heimzukehren vergönnten;
Schwung nun die Eichenkluft, die er beim Spalten zurückwarf,
Schlugs, und sein Leben entfloh; die andern schlachteten, sengten,
Und zerstückten es schnell. Das Fett bedeckte der Sauhirt
Mit dem blutigen Fleische, von allen Gliedern geschnitten;
Dieses warf er ins Feuer, mit feinem Mehle bestreuet.
Und sie schnitten das übrige klein, und steckten’s an Spieße.
Brieten’s mit Vorsicht über der Glut, und zogen’s herunter,
Legten dann alles zusammen auf Küchentische. Der Sauhirt
Stellte sich hin, es zu teilen; denn Billigkeit lag ihm am Herzen.
Und in sieben Teile zerlegt‘ er alles Gebratne:
Einen legt‘ er den Nymphen, und Hermes, dem Sohne der Mäa,
Betend den andern hin; die übrigen reicht‘ er den Männern.
Aber Odysseus verehrt‘ er den unzerschnittenen Rücken
Vom weißzahnigen Schwein, und erfreute die Seele des Königs.
Fröhlich sagte zu ihm der erfindungsreiche Odysseus:
Liebe dich Vater Zeus, wie ich dich liebe, Eumaios,
Da du mir armen Manne so milde Gaben verehrest!
Drauf antwortetest du, Eumaios, Hüter der Schweine:
Iss, mein unglückseliger Freund, und freue dich dessen,
Wie du es hast. Gott gibt uns dieses, und jenes versagt er,
Wie es seinem Herzen gefällt; denn er herrschet mit Allmacht.
Sprach’s, und weihte den Göttern die Erstlinge, opferte selber
Funkelnden Wein, und gab ihn dem Städteverwüster Odysseus
In die Hand; er saß bei seinem beschiedenen Anteil.
Ihnen verteilte das Brot Mesaulios, welchen der Sauhirt
Selber sich angeschafft, indes sein König entfernt war:
Ohne Penelopeia, und ohne den alten Laertes,
Hatt‘ er von Taphiern ihn mit eigenem Gute gekaufet.
Und sie erhoben die Hände zum leckerbereiteten Mahle.
Und nachdem die Begierde des Tranks und der Speise gestillt war,
Trug Mesaulios wieder das Brot von dannen; und alle,
Von dem Brot und dem Fleische gesättigt, eilten zur Ruhe.
Bilder: wikiHow: Ein ganzes Schwein braten („Es gibt keine festgelegten Anleitungen“), gemeinfrei.