Archive for März 2016
Oh my, oh my, oh my, what if it was true? (O wolle nicht ergründen, was einmal unergründlich ist)
Update zu Denkst du denn nicht an den Loup Garou?
und Ach! wie ists erhebend sich zu freuen:
Oh my, oh my, oh my, what if it was true?
And oh my, oh my, oh my, tell me is it true?
Did he, did he, did he die upon that cross?
And did he, did he, did he come back across?Violent Femmes: Jesus Walking on the Water, 1984.
Am I a soldier of the cross,
A follower of the Lamb,
And shall I fear to own His cause,
Or blush to speak His name?Carter Family: On the Sea of Galilee, 1932.
Vnd da der Sabbath vergangen war, kaufften Maria Magdalena, vnd Maria Jacobi vnd Salome specerey, auff das sie kemen, vnd salbeten jn. Vnd sie kamen zum Grabe an einem Sabbather seer fruee, da die sonne auffgieng. Vnd sie sprachen vnternander, Wer waltzet vns den stein von des Grabs thuer? Vnd sie sahen dahin, vnd wurden gewar, das der Stein abgeweltzet war, denn er war seer gros.
VNd sie giengen hin ein in das Grab, vnd sahen einen Juengling zur rechten hand sitzen, der hatte ein lang weis Kleid an, vnd sie entsatzten sich.
Er aber sprach zu jnen, Entsetzet euch nicht. Jr suchet Jhesum von Nazareth den gecreutzigten, Er ist aufferstanden, vnd ist nicht hie, Sihe da, die Stete, da sie jn hinlegten. Gehet aber hin, vnd sagts seinen Juengern, vnd Petro, Das er fur euch hingehen wird in Galilea, Da werdet jr jn sehen, wie er euch gesagt hat.
Markus 16,1–7, Lutherbibel 1545.
Weil man sich ab heute wieder über seine Religion freuen darf, gleich meinen besten Osterwitz — und davon kenn ich nicht viele:
Jesus zeigt sich nach der Auferstehung seinen Jüngern: „Grüß euch, Jungs, da bin ich wieder.“
Sagt der ungläubige Thomas: „Soso? Und wer sagt uns, dass du Jesus bist?“
„Wer soll ich denn sonst sein?“
„Jesus ist doch vorgestern gestorben, wir haben doch zugeschaut.“
„Ja, und heute früh bin ich auferstanden. Das ist ja das Wunder.“
Sagt Thomas: „Wenn du Jesus bist, kannst du auch übers Wasser laufen. Da ist der See.“
Jesus geht zum See und läuft übers Wasser. Nach fünf Metern macht es flump und Jesus ist unter Wasser verschwunden.
Taucht Jesus wieder auf, paddelt und prustet: „Ey verdammt, ich hab doch noch die Löcher in den Füßen.“
Den letztzitierten Evangelientext stellte die Droste ihrem Ostersonntagsgedicht im Geistlichen Jahr voran. Dazu verwendete sie mutmaßlich die Fassung des im Bistum Münster gebräuchlichen Perikopenbuchs, uns ist nur die Luther-Fassung letzter Hand 1545 zugänglich.
Dafür sind wir in der glücklichen Lage, die zwei schönsten Osterlieder der Musikgeschichte voran- und sogar hintanzustellen: On the Sea of Galilee — ein frommes, hörbar hausgemachtes Gospelchen von ergreifender Schlichtheit — und Jesus Walking on the Water — unklarer Richtung; wahrscheinlich Gothic Beach Hillbilly, falls das schon erfunden ist. Für nur eins davon würde manch einer dreieinhalb Stunden Bach-Passion kalt stehenlassen.
——— Annette von Droste-Hülshoff:
Am Ostersonntag
aus: Geistliches Jahr in Liedern für alle Sonn- und Festtage, 1820,
Erstdruck: Cotta, Stuttgart und Tübingen 1851, cit. nach der Insel-Gesamtausgabe:
O, jauchze, Welt, du hast ihn wieder,
Sein Himmel hielt ihn nicht zurück!
O jauchzet! jauchzet! singet Lieder!
Was dunkelst du, mein seelger Blick?Es ist zu viel, man kann nur weinen,
Die Freude steht wie Kummer da;
Wer kann so großer Lust sich einen,
Der all so große Trauer sah!Unendlich Heil hab‘ ich erfahren
Durch ein Geheimnis voller Schmerz,
Wie es kein Menschensinn bewahren,
Empfinden kann kein Menschenherz.Vom Grabe ist mein Herr erstanden
Und grüßet alle die da sein,
Und wir sind frei von Tod und Banden,
Und von der Sünde Moder rein.Den eignen Leib hat er zerrissen,
Zu waschen uns mit seinem Blut,
Wer kann um dies Geheimnis wissen,
Und schmelzen nicht in Liebesglut!Ich soll mich freun an diesem Tage
Mit deiner ganzen Christenheit,
Und ist mir doch, als ob ich wage,
Da Unnennbares mich erfreut.Mit Todesqualen hat gerungen
Die Seligkeit von Ewigkeit,
Gleich Sündern hat das Graun bezwungen
Die ewige Vollkommenheit.Mein Gott, was konnte dich bewegen
Zu dieser grenzenlosen Huld!
Ich darf nicht die Gedanken regen
Auf unsre unermeßne Schuld.Ach, sind denn aller Menschen Seelen
Wohl sonst ein überköstlich Gut,
Sind sie es wert, daß Gott sich quälen,
Ersterben muß in Angst und Glut!Und sind nicht aller Menschen Seelen
Vor ihm nur eines Mundes Hauch?
Und ganz befleckt von Schmach und Fehlen,
Wie ein getrübter dunkler Rauch?Mein Geist, o wolle nicht ergründen,
Was einmal unergründlich ist;
Der Stein des Falles harrt des Blinden,
Wenn er die Wege Gottes mißt.Mein Jesus hat sie wert befunden
In Liebe und Gerechtigkeit;
Was will ich ferner noch erkunden?
Sein Wille bleibt in Ewigkeit!So darf ich glauben und vertrauen
Auf meiner Seele Herrlichkeit!
So darf ich auf zum Himmel schauen
In meines Gottes Ähnlichkeit!Ich soll mich freun an diesem Tage;
Ich freue mich, mein Jesu Christ,
Und wenn im Aug‘ ich Tränen trage,
Du weißt doch, daß es Freude ist!
Soundtracks: The Original Carter Family: On the Sea of Galilee, 1932;
Violent Femmes: Jesus Walking on the Water, aus: Hallowed Ground, 1984.
Bild: Simerenya: C. Timmann — Delfow, 16. März 2016. Etwas Genaueres finde ich darüber nicht einmal über TinEye heraus. Wenn Sie mehr über Maler, Bild oder Genre wissen, machen Sie um Himmels willen kein Geheimnis draus.
Schmerz, Tod und Graus gar spaßig zu erfassen
Update zu Meines Schooßes Lippen
und Tumultuantenharanguieren (sed iam satis):
Internet-Premiere: Es gibt eine sonettförmige Kneipenarbeit von E.T.A. Hoffmann mit einem Gelegenheitszechkumpanen aufzutun. Deren Thema, ein miserables Theaterstück, scheint zu Recht verschollen, für das Geläster darüber zahlt man Geld.
Ein Drama Karlo. Trauerspiel in 4 Abteilungen war seinerzeit anonym erschienen, ist aber der Erstling von Georg Friedrich Alexander Graf von Blankenese (1792 bis 1867) und erhielt wegen guter Beziehungen am 5. April 1820 immerhin am Königlichen Schauspielhaus Berlin, dem heutigen Konzerthaus, eine Uraufführung mit Musik von immerhin Carl Maria von Weber und einem Bühnenbild von immerhin Karl Friedrich Schinkel. Sie war ein Desaster. Das Stück wurde eilends wieder abgesetzt und fiel einem gründlichen Vergessen anheim, erhielt aber offenbar ein heute ebenso unbekanntes und daher wahrscheinlich auftragspanegyrisches Huldigungssonett, wie die Überschrift „Rektifiziertes Sonett“ ausdrückt — falls sie keine Sprachspielerei mit „rektal“ und dem letzten Vers sein sollte.
Das Sonett wurde bisher genau dreimal gedruckt: zuerst von Hans von Müller, der den Nachlass von E.T.A. Hoffmanns letztem Herzensfreund Eduard Hitzig im Märkischen Museum Berlin verwaltete, worin sich die Handschrift fand, in Nord und Süd, 1. Juni-Heft 1910, Seite 362, also lange posthum — nach dieser Vorlage und von Müllers Handexemplar von Friedrich Schnapp im 5. Band seiner Gesamtausgabe bei Winkler 1960 bis 1965, die heute weit besser erreichbar geblieben ist — zuletzt 1992 und den folgenden Taschenbuch-Ausgaben von Hartmut Steinecke im seiner Gesamtausgabe in der Bibliothek Deutscher Klassiker, wieder im 5. Band mit dem Kater Murr und den Werken 1820-1821.
Als „fragliche Zuschreibung“ an Hoffmann gilt das Sonett, weil es laut Unterschrift ein Gemeinschaftswerk mit Friedrich Wilhelm d’Elpons ist, dessen Arbeitsanteile sich nicht mehr unterscheiden lassen. Auch über den Koautor d’Elpons weiß man nicht viel, außer dass er ein abgedankter preußischer Hauptmann, nachmals „mediokrer Schriftsteller“ in Berlin, der um — also biographisch dürftig belegt — 1785 bis 1831 lebte, und außerdem „ein berüchtigter Schuldenmacher und Spieler“ war, jedenfalls wieder nach Friedrich Schnapp: E:T.A. Hoffmann in Aufzeichnungen seiner Freunde und Bekannten, 1974.
D’Elpons war am 10. Dezember 1818 mit einer Erzählung Herz, der Große in Der Freimüthige hervorgetreten (danach nie wieder verlegt, außer einem Ausschnitt bei Schnapp, 1974), in der er den ihm persönlich noch nicht bekannten Hoffmann „als eitlen und impertinenten Judenjungen angriff“ (Steinecke, a.a.O.); Hoffmann war übrigens evangelisch-lutherischer Christ. Nach dem persönlichen Kennenlernen söhnten sich die zwei schon 1819 miteinander aus und traten in eine lockere Freundschaft auf Weinbasis. Beider Sonett von 1820 dürfen wir guten Gewissens als Bier- und Schnapsidee einstufen.
Was d’Elpons und Hoffmann am Abend des 5. April 1820 getrieben haben, weiß man jetzt ebenfalls: Sie waren im Schauspielhaus in der ersten und einzigen Vorstellung von Karlo, wahrscheinlich wegen der Musik von Weber — noch in der Zeit vor dessen Smash-Hits Freischütz (erst 1821), Euryanthe (1823) und Oberon (1826) —, und fanden es scheiße.
Genau datiert ist das Sonett nicht, es liegt aber nahe, dass es noch am selben Abend bei Lutter & Wegner unweit des Schauspielhauses entstand. Stehe ich eigentlich sehr einsam mit meinem Wunsch da, mehr Zechkumpane könnten in der Kneipe gemeinschaftlich wenigstens formal einwandfreie Sonette verfertigen?
——— Friedrich Wilhelm d’Elpons & E.T.A. Hoffmann:
(Rektifiziertes Sonett)
An den Dichter des Trauerspiels Carlo
1820:
Heil Dir o Genius dem es gelungen
Schmerz, Tod und Graus gar spaßig zu erfassen.
Dir, Arlekin, muß man die Jacke lassen,
Die Pritsche hast im traur’gen Spiel errungen.Fürwahr ein schöner Kranz den Du geschlungen
Von närrscher Liebe, Wüten, tollem Hassen!
Kein Blumenkranz! — Unkraut auf schmutzgen Gassen
Fruchtschwangrem Mist mit Mühe abgedrungen.O Tag des Jammers! Du erregst nur Lachen?
Ja! — Du erschienst uns Jammer aufzutischen —
Horch: — unten dröhnt lustiger Knüppel Krachen!Kritische Schlangenbrut beginnt zu zischen,
O! schnell dem Ding‘ ein fröhlich End‘ zu machen
Laßt uns mit Carlo selbst die Ärsche wischen.D’E. & H.
Bilder: Marta Bevacqua: Juliet Searle vor Sylvia Beach Whitmans Shakespeare and Company
in der rue de la Bûcherie (das heißt nicht „Bücherei“)
in: The Great Story. A surreal story, Paris, 2015.
Fürwahr ein schöner Kranz: Carl Maria von Weber: Wir winden dir den Jungfernkranz,
aus: Der Freischütz, 1821, in einer leider nicht mehr ganz zeitgenössischen Aufnahme vom Tröterich: Schlager, Moritaten und Couplets.
Wenn man etwas Bildung hat (Die Moritat vom jungen Friedrich Kolbe)
Update zur Eskimojade:
Mein lyrisches Frühwerk hat sich immer wie Wilhelm Busch angehört, weshalb ich es heute nicht mehr eigens verbreiten muss. Besonders beeindruckt hat mich in den zwei Bänden Was beliebt, ist auch erlaubt und Und die Moral von der Geschicht, die es seit 1959 unverändert mit dem Vorwort von Theodor Heuss gibt, Trauriges Resultat einer vernachlässigten Erziehung, das ich zehnjährig für einen echten Krimi gehalten hab. Allein der Formulierung der Überschrift nach zu schließen, ist es aber eher die Parodie auf eine Moritat und tatsächlich auf so ziemlich jede Melodie cantabile. — Und was heißt hier überhaupt, die haben Sie nicht, die einzige Gesamtausgabe, die wirklich überall hingehört, wo jemand wohnt, der lesen kann? Klick und kaufen, aber zügig!
Wilhelm Busch hat sich durchgehend mit einiger Koketterie als Kauz und „eingefleischten Junggesellen“ — was zeitweise eine feine Umschreibung für „schwul“ war — dargestellt. Die Moritat schrieb er mit 28 Jahren, da klang er, man weiß nicht, mit wie viel Ironie, geradezu frühvergreist. Trotzdem ist sie deutlich ein Steinbruch an Motiven für das spätere Max und Moritz, 1865: Der Schneider heißt Böckel statt später Böck, wird aber ebenfalls mit „Meck, meck, meck“ gemobbt; Antiheld Fritzchen hat Pausbacken und Strubbelfrisur der späteren Max-Figur und die Hosen von Moritz, die hier allerdings eine handlungstragende Rolle spielen (siehe Gudrun Schury: Ich wollt, ich wär ein Eskimo. Das Leben des Wilhelm Busch. Aufbau Verlag, Berlin 2007, als Taschenbuch in: Aufbau-Taschenbücher Nr. 7071, Berlin 2010).
Die vermittelten moralischen Werte — weil „Moritat“ entweder von „Moralität“ oder „Mordtat“ kommt — erscheinen heute fragwürdig. Das ist ja gerade die Gaudi. Ich bringe den Text korrigiert nach der Erstveröffentlichung in den Fliegenden Blättern, die sich von den erhältlichen, gefällig geglätteten am stärksten in der Zeichensetzung unterscheidet.
——— Wilhelm Busch:
Trauriges Resultat
einer vernachläßigten Erziehung
in: Fliegende Blätter 33.1860, Nr. 783—808, Seite 108 bis 111., 1860:
Ach, wie oft kommt uns zu Ohren,
Daß ein Mensch was Böses that,
Was man sehr begreiflich findet,
Wenn man etwas Bildung hat.Manche Eltern sieht man lesen
In der Zeitung früh bis spät ;
Aber was will dies bedeuten,
Wenn man nicht zur Kirche geht ?Denn man braucht nur zu bemerken,
Wie ein solches Ehepaar
Oft sein eig’nes Kind erziehet,
Ach, das ist ja schauderbar !Ja, zum In’stheatergehen,
Ja, zu so was hat man Zeit,
Abgeseh’n von and’ren Dingen,
Aber wo ist Frömmigkeit ?
Zum Exempel, die Familie,
Die sich Johann Kolbe schrieb,
Hatt‘ es selbst sich zuzuschreiben,
Daß sie nicht lebendig blieb.Einen Fritz von sieben Jahren
Hatten diese Leute blos,
Außerdem, obschon vermögend,
Waren sie ganz kinderlos.Nun wird mancher wohl sich denken :
Fritz wird gut erzogen sein,
Weil ein Privatier sein Vater ;
Doch da tönt es leider : Nein !Alles konnte Fritzchen kriegen,
Wenn er seine Eltern bat,
Äpfel=, Birnen=, Zwetschgenkuchen,
Aber niemals guten Rath.
Das bewies der Schneider Böckel,
Wohnhaft Nr. 5 am Eck ;
Kaum, daß dieser Herr sich zeigte,
Gleich schrie Fritzchen : meck, meck, meck !Oftmals, weil ihn dieses kränkte,
Kam er und beklagte sich,
Aber Fritzchens Vater sagte :
Dieses wäre lächerlich.Wozu aber soll das führen,
Ganz besonders in der Stadt,
Wenn ein Kind von seinen Eltern
Weiter nichts gelernet hat ?So was nimmt kein gutes Ende. —
Fast verging ein ganzes Jahr,
Bis der Zorn in diesem Schneider
Eine schwarze That gebar.
Unter Vorwand eines Kuchens
Lockt er Fritzchen in sein Haus,
Und mit einer großen Scheere
Bläst er ihm das Leben aus.Kaum hat Böckel dies verbrochen,
Als es ihn auch schon schenirt,
Darum nimmt er Fritzchens Kleider,
Welche grün und blau karirt.Fritzchen wirft er schnell ins Wasser,
Daß es einen Plumpser thut,
Kehrt beruhigt dann nach Hause,
Denkend : So, das wäre gut !Ja, es setzte dieser Schneider
An die Arbeit sich sogar,
Welche eines Tandlers Hose
Und auch sehr zerrissen war.
Dazu nahm er Fritzchens Kleider,
Weil er denkt : dich krieg‘ ich schon !
Aber ach ! ihr armen Eltern,
Wo ist Fritzchen, euer Sohn ?In der Küche steht die Mutter,
Wo sie einen Fisch entleibt,
Und sie macht sich große Sorge :
Wo nur Fritzchen heute bleibt ?Als sie nun den Fisch aufschneidet,
Da war Fritz in dessen Bauch. —
Todt fiel sie in’s Küchenmesser
Fritzchen war ihr letzter Hauch.Wie erschrack der arme Vater,
Der g’rad‘ eine Prise nahm ;
Heftig fängt er an zu niesen,
Welches sonst nur selten kam.
Stolpern und durch’s Fenster stürzen,
Ach, wie bald ist das gescheh’n !
Ach ! und Fritzchens alte Tante
Muß auch g’rad‘ vorüber geh’n.Dieser fällt man auf den Nacken,
Knacks ! da haben wir es schon !
Beiden theuren Anverwandten
Ist die Seele sanft entfloh’n.D’rob erstaunten viele Leute
Und man munkelt allerlei,
Doch den wahren Grund der Sache
Fand die wack’re Polizei.Nämlich Eins war gleich verdächtig :
Fritz hat keine Kleider an !
Und wie wäre so was möglich,
Wenn es dieser Fisch gethan ?
Lange fand man keinen Thäter,
Bis man einen Tandler fing,
Der, es war ganz kurz nach Ostern,
Eben in die Kirche ging.Ein Gensdarm, der auf der Lauer,
Hatte nämlich gleich verspürt,
Daß die Hose dieses Tandlers
Hinten grün und blau karirt.Und es war ein dumpf‘ Gemurmel
Bei den Leuten in der Stadt,
Daß ’ne schwarze Tandlersseele
Dieses Kind geschlachtet hat.Hochentzücket führt den Tandler
Man zur Exekution ;
Zwar er will noch immer mucksen,
Aber Wupp ! da hängt er schon. —
Nun wird Mancher hier wohl fragen :
Wo bleibt die Gerechtigkeit ?
Denn dem Schneidermeister Böckel
Thut bis jetzt man nichts zu leid.Aber in der Westentasche
Des verstorb’nen Tandlers fand
Man die Quittung seiner Hose
Und von Böckel’s eig’ner Hand.Als man diese durchgelesen,
Schöpfte man sogleich Verdacht
Und man sprach zu den Gensdarmen:
Kinder, habt auf Böckel acht !Einst geht Böckel in die Kirche.
Plötzlich fällt er um vor Schreck,
Denn ganz dicht an seinem Rücken
Schreit man plötzlich : Meck, meck, meck !Dies geschah von einer Ziege ;
Doch für Böckel war’s genug,
Daß sein schuldiges Gewissen
Ihn damit zu Boden schlug.
Ein Gensdarm, der dies verspürte,
Kam aus dem Versteck herfür,
Und zu Böckel hingewendet
Sprach er : Böckel geh‘ mit mir !Kaum noch zählt man 14 Tage,
Als man schon das Urtheil spricht :
Böckel sei auf’s Rad zu flechten.
Aber Böckel liebt dies nicht.Ach ! die große Schneiderscheere
Ließ man leider ihm, und Schnapp !
Schnitt er sich mit eig’nen Händen
Seinen Lebensfaden ab.
Ja, so geht es bösen Menschen.
Schließlich kriegt man seinen Lohn.
Darum, o ihr lieben Eltern,
Gebt doch Acht auf Euern Sohn.
Bilder: Universitätsbibliothek Heidelberg: Heidelberger historische Bestände — digital. Abermals danke, danke, danke für dieses Projekt samt den sorgfältigen Scanner — den viereckigen wie den zweibeinigen — in einem anständigen Kontrast:
Soundtrack: Danse macabre auf Orchestrion, restauriert 2013.
Busenalmanach
Update zu Also, Volk: Singe mit, lerne auswendig und verbreite!:
Heute ist meteorologischer Frühlingsanfang, da mag ich ein bissel spaßigen Schweinkram machen.
Wozu mir als erstes einfällt: Ich wusste gar nicht, dass wirklich schon mal jemand bildlich dargestellt hat, wie Säfte steigen; bisher dachte ich, das soll sich immer nur auf „Kräfte zeigen“ reimen.
Was von Parodien in der Titanic zu halten ist, muss ich hier nicht ausbreiten, schließlich hab ich lauter selbstständig denkende Leser. Die unauffällige, weil dankenswerterweise nicht illustrierte Seite 54 in der Januar-Nummer 2016 bringt so geballt wertfreie Kalauer, präpubertäre Schweinigeleien und haltloses Herumgewitzel um des albernen Gekichers willen, dass es eine Freude ist. Das ausformulierte „Eichendorff“-Gedicht darunter ist leider in dem gedrängten Layout nur als Fließtext durch Schrägstriche unterteilt. Das musste ich mal als Lyrik anschauen. — Die unvollständigen Highlights:
——— Valentin Witt:
Peinliche Pervers-Geheimnisse
Die total versexte Welt der Literaten
in: Titanic Nr. 1, Januar 2016, Seite 54:
Die wahre Natur Joseph von Eichendorffs zeigt sich in diesen bislang verborgen gehaltenen Versen:
An einem Mühlenrädchen
Zum Abschied ganz bedrückt
Hat mir mein liebes Mädchen
Ein Ringlein angesteckt.Doch als in stiller Stunde
Ich an dem Rade stand,
Von ferne frohe Kunde
Sich mir ums Herze wand.Da hat’s mir glatt beim Schiffen,
Als ich dran dacht‘ zu lochen,
Von Geilheit ganz ergriffen
Das Cockringlein zerbrochen.
Von dennoch profunden literaturgeschichtlichen Kenntnissen zeugt der Absatz über Schiller: Die Reste des Musen-Almanachs sind jedenfalls im Weimarer Friedrich-Schiller-Archiv geblieben, und den Kalauer mit den Horen hat 1788 schon Böttiger gebracht. Die Leserzahl dürfte grob hinkommen.
Friedrich Schiller betätigte sich als Autor und Herausgeber der Zeitschriften „Busenalmanach“ und „Die Huren“, deren einziger Leser er selbst war und die er nach Gebrauch sofort wieder vernichtete.
In so einem Sauhaufen darf auf keinen Fall die Arnim fehlen, die in jungen Jahren unbestritten die Hübscheste im ganzen Autorenlexikon war. Was man allerdings nicht sagen darf, weil sie unbestritten die einzige Hübsche war; siehe den letzten Fünf-Mark-Schein. Für mich ist die „Bettine“ in Damenstrumpfhosen nämlich gar keine so „perverse“ Vorstellung, sondern ein Typ für weiße, und zwar nicht über 30 Denier und ohne Zehenzwickel. Trotz ihres nachweislichen Sexuallebens kommt sie bei Witt ganz ungewohnt respektvoll weg.
Eine exquisite Sammlung an Korsetts, Damenstrumpfhosen und Unterröcken besaß und trug regelmäßig — sogar in der Öffentlichkeit und vor Kindern — die Romantikerin Bettina von Arnim.
Irgendwer bei der Titanic scheint irgendwas von der Droste (siehe auch den letzten 20-Mark-Schein) zu halten, worauf man nicht in einem Deutsch-Kurrikulum kommt: Ich trauere, wie erwähnt, immer noch der entweder Altmänner- oder genauso präpubertären Phantasie des Nacktbildes von der Freifrau hinterher und trau mich nicht die Künstler Greser & Lenz zu fragen, in welcher Nummer das war, wie sieht denn das aus.
Der biederen Erscheinung zum Trotz war Annette von Droste-Hülshoff zwischen den Laken eine ganz schöne Wildkatze, ja eine richtige kleine Squirtmaschine.
Und dann noch mein Zweitliebling cit. Witt:
Viele haben sich an Goethe gerieben.
Valentin Witt bringt a.a.O. noch Unerhörtes über Baudelaire, Beauvoir, Bernhard, Böll, de la Fontaine, Fontane, Kafka, Kehlmann, Thomas Mann, Herta Müller, Poe, Pirinçci, Wilde, Woolf („Virginia Woolf hatte Brüste, einen Po und eine Woolfa“, au weh) und Stefan Zweig; für unseren Zweck (welchen eigentlich?) sollte das vorerst reichen.
Katzenbild: Möglicherweise Kristen Stewart, rothaarig in Puss in Boots, 2015.
Wenigstens jetzt keine Kalauer, bitte.
Soundtrack: Placebo: Every You Every Me, aus: Without You I’m Nothing, 1999.
Der Film war klasse.