Archive for the ‘Postironismus’ Category
One hundred and sixty-seven words, per day
Update zu Der unverzichtbare Buchstabe e,
Break in college sick bay,
Wer mal in Die Zeyt gewesen, deßen Ruhm ist ja erlesen
und Amelia Earhart’s Favorite Poem:
Über Jeffrey McDaniel erfahren wir in Slam, herausgegeben von Cecily von Ziegesar bei AlloyBooks 2000:
Jeffrey McDaniel is the author of Alibi School and The Forgiveness Parade. His work appeared in Best American Poetry1996. He currently writes reviews and literary interviews for CUPS magazine in Los Angeles.
Das ist die Information über einen Dichter des Jahrgangs 1967 in einer amerikanischen Anthologie über Slam-Poetry von anno 2000; selbst sein deutscher Wikipedia-Artikel ist heute schon aufschlussreicher, und der verlinkt noch seinen Myspace-Account.
Was uns solche Poetry normalerweise nicht lehrt, eher das Gegenteil: Man soll ausschließlich sprechen, um etwas in die Welt zu setzen, das schöner oder wenigstens nützlicher als die Stille ist. Wenn man fertig ist, soll man umgehend wieder die Klappe halten.
McDaniels Vorschlag mit den höchstens 167 Wörtern pro Tag erinnert an Gullivers Reise auf die fliegende Insel Laputa, deren Einwohner gehalten sind, zu besprechende Gegenstände bei sich zu tragen und bei Bedarf vorzuzeigen. Beim geistlichen Satiriker Jonathan Swift sollte das materiell unterstützte Schweigen noch zu schnelle Abnutzung der Lungen verhindern, beim Poeten McDaniels sollen die Leute einander mehr in die Augen schauen. Kann man machen, jedenfalls fordern oder erträumen.
Woran beide Maßnahmen scheitern werden, ist klar: Swift hat seine Idee schon in der Anlage so weit überspitzt, bis sie sich von selbst verbietet; McDanel lässt, absichtlich oder nicht, offen, ob seine zugelassenen 167 Wörter (nicht Worte) nach Type oder Token gezählt werden sollen, also die Lemmata oder das, was einem zum Beispiel Word mit seiner Zeichenzählung ausrechnet, was endlosem, dazu immer wieder hinausgezögertem Herumgefeilsche unter den Betroffenen Tür und Tor öffnet.
Träumen wird man noch dürfen.
——— Jeffrey McDaniel:
The Quiet World
in: Cecily von Ziegesar: Slam, AlloyBooks, New York 2000, page 99,
never performed:
In an effort to get people to look
into each other’s eyes more,
the government has decided to allot
each person exactly one hundred
and sixty-seven words, per day.When the phone rings, I put it
to my ear without saying hello.
In the restaurant I point
at chicken noodle soup. I am
adjusting well to the new way.Late at night, I call my long-
distance lover and proudly say:
I only used fifty-nine today.
I saved the rest for you.When she doesn’t respond, I know
she’s used up all her words,
so I slowly whisper I love you,
thirty-two and a third times.
After that, we just sit on the line
and listen to each other breathe.
Schweigende Mädchen: Gajo 1987, via The Art of Face, ca. 2021;
Cover Cecily von Ziegesar: Slam, Erstauflage 2000, via Amazon.de.
Soundtrack: John Cage: 4′33″, 1952,
William Marx live im McCallum Theatre, Palm Desert, Kalifornien:
Bonus Track: Nickerbocker & Biene: Hallo Klaus (I wü nur zruck), 1982,
aus: Nickerbocker: Spätzünder, 1983:
Bitte, diesen Liebesakt mit jedem Atemzug, mit jedem Pulsschlag tausendmal wiederholen zu dürfen (Ich liebe diesen Liebesakt)
Update zu Schreiet fort, Mißtöne, zerschreiet die Schatten: denn Er ist nicht!,
Über den Kirchplatz mit Lancelot: Die namenlosen Religionen zu Coburg,
Die katholische Zeit hat solche Geschmacklosigkeiten nicht gekannt
und Sollen denn aber bloß diese Kasus in der neu aufblühenden Kunstschule gebildet werden
(wenn wir bei deutscher Mundart bleiben)?:
Jesus, Maria, ich liebe Euch,
rettet Priesterseelen, rettet Seelen
mit der großen Bitte, diesen Liebesakt
mit jedem Atemzug, mit jedem Pulsschlag
tausendmal wiederholen zu dürfen.(Vicariat Rom, Imprimatur N. 26 v. 29.11.2013)
Das neue Gebet des Liebesaktes, a. a. O., 2013.
Das passiert einem nur in Altötting. Meiner verschwimmenden Erinnerung nach lag der Flyer am Schriftenstand der Basilika St. Anna oder der Bruder-Konrad-Kirche aus. Beides nicht die spektakulärsten der Altöttinger Sehenswürdigkeiten, die für die meisten die schwarze Madonna in der Gnadenkapelle und für meine verschrobenen Begriffe das Jerusalem-Panorama wären. Aber ohne die zahlreichen Nebenkirchen des beliebten Wallfahrtsortes abzuklappern hätte man gar nicht erfahren, dass erst allerjüngst verstorbene Mystikerin Frau Justine Klotz eine Blume im Garten des Herrn ist. Das tritt nicht etwa aus den Informationen, die der Flyer bietet, zutage, dazu muss man schon weitergoogeln. Aber den möcht ich sehen, der ein neues Gebet des Liebeskates nicht wenigstens versuchsweise durch die eine oder andere Suchmaschine scheucht. Hat sich das Vikariat Rom vom Bund der Hingabe wohl gedacht. Wer immer das ist, aber mit deren Erlaubnis möchte ich denen lieber nicht noch genauer hinterherforschen.
Leider war ich Ausgetretener nur einen halben Tag in Altötting zugegen, um mein 9-Euro-Ticket auszunutzen, und selbst da hab ich noch Neuötting mitgenommen (und von dort ein Tintenfass Nummer 21 aus dem öffentlichen Bücherschrank. Touristentipp: die drei Kilometer Autobahnzubringersteppe zwischen Alt- und Neuötting nicht ausgerechnet über den Parkplatz des Klinikums abkürzen, sonst finden Sie sich auf dem Pausenhof der Realschule wieder) und war im Russensupermarkt in der Bahnhofstraße einkaufen, weil da die Äpfel 99 Cent das Kilo gekostet haben. Eigentlich müsste ich also nochmal hin, aber das nächste Mal fahr ich vermutlich bis Burghausen durch, weil das die gleiche Zugverbindung ist.
Justine Klotz, Gott hab sie selig, die mir ein freundliches Großmütterchen scheint, hätte dazu wohl in ihrer Nachsicht gegenüber uns fehlbaren Menschen milde gelächelt. Hoffe ich.
——— Bund der Hingabe, Vikariat Rom:
Das neue Gebet des Liebesaktes
aus: Gott spricht zur Seele. Offenbarungen an Justine Klotz (1888–1984),
Heft 1: Der Liebesakt: Der sichere Weg zur Erneuerung,
Pro manuscripto, Alleanza di Donazione 2017
cit. nach Flyer: Das Gebet des Liebesaktes als Faltblatt A5, 2019, Auflage 29. November 2013:
Im Folgenden eine kleine Auswahl aus den Verheißungen Jesu an Justine Klotz (1888–1984) über das Gebet des Liebesaktes:
(Jesus): „Betet mit großem Vertrauen! Der Liebesakt ist ein Vertrauensakt in höchstem Ausmaß. Den Tag immer so anfangen und nicht anders aufhören! Das Wort „Tausend“ gebe Ich euch zum Geschenk. Es war noch nie so. Beachtet das! Es ist eine Liebesgabe Meiner Gottesseele. Es ist immer ein Weiheakt an Meine Liebe, soviel wie ein Festgottesdienst. Die Engel werden das „Heilig“ anstimmen und Meiner Liebe lobsingen, wie nie zuvor. Es sind oft höchste Engel dabei.
Ihr wisst gar nicht, was ihr da tut. Es ist ein Sold an Meine Liebe. Meine Liebe ist eine rettende Liebe, die Ich austeilen darf, unbegrenzt! Ihr seid von GOTT angeworben, was mit Liebe geschah, zu einem außerordentlichen Tun. Atmet mit dieser Liebe im Herzen und der Teufel hat keinen Zugang mehr. Du kannst Liebe einatmen und ausatmen. Bald wird die Bosheit zurückweichen. Es wird wieder licht in den Seelen, so wird es von Mir geschaut und vollzogen. Ich bin es selbst, der diesen Weg aufzeigt und zur Gnade führt.
Es ist an jede Seele ein Gnadengeschenk von großem Ausmaß: Der Sieg Meiner Mutter. Ich gab für sie den Liebesakt, so unbegrenzt, für jeden und immer. Die Mutter hat Scharen von Engeln, die sie aussendet, ihren Kindern im Kampf beizustehen. Keiner ist mit dem Liebesakt allein, es beten viele zugleich. Das sind Meine Turmwächter. Kein Priester wird ohne den Liebesakt sterben, der ihn verbreiten hilft und selber betet. Ein immer währendes Opfer. Schon wenn ihr daran denkt, kann Ich viele Seelen retten.
Lebe dein Leben in Liebe! – LIEBE für LIEBE! – Ich gebe sie dir brennend zurück. Noch ist die Zeit. – Ich habe das Tor der Liebe geöffnet, als Ich den Schlüssel dem Petrus übergab. – Und dies geschah im Geiste durch Meine Worte. Er regiert die ganze Kirche, so viel Macht haben Meine Worte. –
Niemand hat solche Worte – und so viel Gnaden auszustreuen! Alles wird lebendig und voller Licht und Ich bin da und gegenwärtig, so dass Mich keiner sieht.
Mein ganzes Wirken war in der DEMUT verborgen.
Glaube jedes Wort, die ganze Liebe ist darin gefasst. Auf euch kommt es an, den Weg zu bereiten. – Es ist eine Siegesbotschaft vom Engel des Herrn. Dieser Liebesakt ersetzt alles, was heute versäumt wird. Es sind lauter Bausteine. – Es wird sein, wie ein warmer Südwind, der das Eis schmelzen lässt. Sie alle werden mit einbezogen in diesen Liebesakt. Darum soll man ihn verbreiten und verbreiten lassen, vorerst noch insgeheim. Es wird eine riesige Flamme werden. Ich verspreche es dir. Ihr wisst gar nicht, was ihr da tut. Diese Liebe wird der Atemzug jeder Seele sein. Viele Seelen kehren dadurch heim. Das ist ein ganz verborgenes Licht, vor dem Teufel abgeblendet, für immer, ohne dass er es ergründen kann. Viele Herzen werde Ich dafür neu erschließen, die schon erstarrt sind. Die Menschheit ist tief gesunken, nur Meine Barmherzigkeit kann sie noch retten. Darum gab Ich den Liebesakt. Wie werde Ich die Seelen beschenken! Es ist ein Aufruf zur Gnade. –
Ich liebe diesen Liebesakt. Ich habe ihm große Gnaden verliehen. Gnade bringt Liebe. – Es ist ein leuchtender Weg. Liebe ohne Maß! Soviel Macht gab Ich den Seelen mit diesem Liebesakt. Ihr wisst nie, was die Seele tut und tun kann.
Wir werden dem Teufel Herr werden bis in ungeahnte Tiefen.
Jeder kann dazu beitragen. Der Liebesakt ist schon der Anfang. Er ging von Meinem Herzen aus. Der Teufel kam, um die Welt zu vernichten. Die Macht der Seelen ist stärker. Darum schließt Euch an! Seid ihr nicht Tempel des Geistes vom Vater gewollt? So war die Mutter gekrönt, euch Hilfe zu bringen.
Kämpft mit den Waffen des Geistes! Ich umgürte die Lenden unaufhaltsam, dem Satan entgegen. Nehmt diesen Schutz an! Er kann Euch nicht genommen werden. Ich will Eure Lenden gürten, denn Gehorsam ist Liebe, die von Mir ausging, den Vater zu ehren.
Es wird sich immer wiederholen, bis das Tausend voll ist.
Nehmt die Lampe der Liebe, die Ich neu entzündet habe. Tragt sie dem Bruder entgegen. Wer liebt, rettet, wer rettet, liebt! Das sind die Zeiger dieser Uhr. Sie gehen rund um Mein Herz. Das sind Meine Herzschläge, so ist der Liebesakt an Mich angeschlossen. Das sind Meine eigenen Herzschläge und niemand kann diese Uhr zum Stehen bringen. Das Gegenteil ist der Fall: Sie finden Widerhall im Petersdom! Auch diese Uhr geht nicht zurück. Man wird ihn auf der ganzen Welt verbreiten. Die ganze Welt wird aufhorchen.
Jeder Liebesakt zündet, wie nie zuvor. Jeder wird Mich empfangen, bis alle eins geworden. – Würde ihn jede Seele nur einmal am Morgen und am Ende des Tages wieder nur einmal beten, wären die Tausend vollzählig angenommen, wie jeder Regentropfen in das Meer fällt und keiner wäre herauszufischen. Wer betet, liebt – wer liebt, betet!
So rücke Ich Meine Barmherzigkeit ans Licht. Ja noch mehr: Es ist wie eine Zündschnur, die an die Lichtleitung angeschlossen wird, die immer und immer überall dieselbe Wirkung erzeugt.
Ihr könnt ja die Liebe nicht fassen, darum nehmt den Liebesakt so für die ganze Welt an, die so erkaltet ist. Das ist die Sonne, das Licht gegen die Finsternis. Die Sünde kann sich nicht mehr ausbreiten, wo er gebetet wird. Ich gab ihn euch durch die Mutter als Geschenk, und zwar für jeden gleich groß. – Denkt an die Hochzeit zu Kana, Ich selbst bin der Bräutigam, durch das Wunder, das dort geschah.
Dieser Liebesakt soll eine Gemeinschaft bilden. Ich will euch diese Liebe zuteilen. Ich bin mitten unter euch – ein Liebender!
Ich will dem Teufel die Macht zerschlagen mit dem Liebesakt. Ich zeigte dir, wie der kleine David mit Kieselsteinen dem Kampf entgegenging und ihr habt den Liebesakt tausendfach vermehrt. Ich will euch den Wert zeigen. Seelen, Seelen! Ein Wehruf Meiner Liebe! Der Tod muss diesen Seelen weichen, weil Liebe nicht sterben kann. Das Kreuz ist zum Sieg geworden.“
Bilder: Das Gebet des Liebesaktes als Faltblatt A5, 2019;
Jesus, Maria, ich liebe Euch! Rettet Seelen. Messages from Heaven to the german Mystic Justine Klotz:
Der Liebesakt, der sichere Weg zur Erneuerung, o. J.
Mut zur Schnulze: Golden Shoulders: I Will Light You On Fire, aus: Friendship Is Deep, 2004:
Not quite inexistent/nicht ganz abhanden
Update zu Wumbaba,
Beiträge zur deutsch-englisch-arabischen Freundschaft,
Break in college sick bay und
The tale of the powerful penis:
Die Berliner Künstlerin Carolin Gutt — man unterstütze sie zahlreich! — bringt aus ihrem und unser aller Lieblingsland Schottland ein Gedicht zu uns und illustriert es gleich passend.
John Burnside war zuerst Hilfsarbeiter bei den Autozulieferern im ungeliebten England, entwickelte folglich eine Schizophrenie, Alkohol- und Drogensucht, studierte in Cambridge Englisch und europäische Sprachen, was ihn zum Software-Entwickler qualifizierte, und wurde 1996 nach seinen ersten fünf Gedichtbänden und ersten drei Literaturpreisen, die ihm seit 1988 in einem etwa zweijährigen Rhythmus zukommen, freischaffender Schriftsteller, kurzzeitig Writer in Residence an der University of Dundee und dauerhaft Professor für creative writing, amerikanische Literatur und Kultur sowie Literatur im Zusammenhang mit Ökologie in St Andrews, nach Oxford und Cambridge der ältesten Uni bei den Anglophonen, weil er seine Süchte nach Substanzen durch eine Schreibsucht zu kurieren verstand.
Carolin hat The Good Neighbour in ihrem Golden Treasury of Scottish Verse 2021 gefunden, eine Würdigung des gleichnamigen Gedichtbandes stand am 9. Juli 2005 als The shape of the wind in The Guardian. In seiner überlegenen Ruhe voller Bedeutungsebenen hat es das Zeug zum Lieblingsgedicht. In Blankversen wird sich ohnehin seit langem zu selten geäußert.
Gegen Iain Galbraiths Übersetzungen für die deutsche Auswahl Anweisungen für eine Himmelsbestattung 2016 wendet Gregor Dotzauer in der Zeit ein:
Von der freirhythmischen Elastizität der Originale gibt Iain Galbraiths Übersetzung leider keinen Eindruck. Es ist, als hätte er sich gar nicht die Mühe gemacht, Burnsides Prägnanz Silbe um Silbe wägend zu erreichen. Man muss eben nicht die Ausgangssprache, sondern die Zielsprache perfekt beherrschen. Das wenig klangvolle Ergebnis kann immerhin als Hilfestellung zum Verständnis dienen.
Es ist nicht raus, ob Galbraith schon 2011 in der Auswahl Versuch über das Licht etwas anderes als eine solche Hilfestellung beabsichtigt hat. Wir werden sie deshalb dankbar nutzen.
——— John Burnside:
The Good Neighbour
from: The Good Neighbour,
Jonathan Cape, 2005:Somewhere along this street, unknown to me,
behind a maze of apple trees and stars,
he rises in the small hours, finds a book
and settles at a window or a desk
to see the morning in, alone for once,
unnamed, unburdened, happy in himself.I don’t know who he is; I’ve never met him
walking to the fish-house, or the bank,
and yet I think of him, on nights like these,
waking alone in my own house, my other neighbours
quiet in their beds, like drowsing flies.He watches what I watch, tastes what I taste:
on winter nights, the snow; in summer, sky.
He listens for the bird lines in the clouds
and, like that ghost companion in the old
explorers‘ tales, that phantom in the sleet,
fifth in a party of four, he’s not quite there,
but not quite inexistent, nonetheless;and when he lays his book down, checks the hour
and fills a kettle, something hooded stops
as cell by cell, a heartbeat at a time,
my one good neighbour sets himself aside,
and alters into someone I have known:
a passing stranger on the road to grief,
husband and father; rich man; poor man; thief.Der gute Nachbar
Übs.: Iain Galbraith, aus: Versuch über das Licht, Edition Lyrik Kabinett, Hanser 2011:
Irgendwo in dieser Straße, mir völlig unbekannt,
hinter einem Labyrinth aus Äpfeln und Gestirn,
steht er auf, zu früher Morgenstunde, nimmt ein
Buch: Er lässt sich nieder, am Schreibtisch oder Fenster,
begleitet den Sonnenaufgang, endlich allein –
ohne Namen, ohne Last, glücklich in sich selber.Ich weiß nicht, wer er ist; ich bin ihm nie begegnet
unterwegs zum Fischmarkt, auf dem Weg zur Bank,
doch denke ich an ihn in Nächten so wie diese, wach
in meinem eignen Haus, die Nachbarn ringsum ruhig
in ihren Betten: schlummernden Fliegen gleich.Er sieht, was ich sehe, und was ich schmecke, schmeckt er,
in Winternächten: Schnee; im Sommer: den Himmel.
Er lauscht den Vogelzügen in den Wolken
und – wie jener unheimliche Begleiter in Geschichten
alter Forschungsreisender, wie jenes Phantom im Eisregen,
der Fünfte in dem Viererbunde – ist nicht ganz da,
doch auch nicht ganz abhanden.Und wenn er sein Buch hinlegt, wenn er nach der Uhrzeit
schaut und Wasser kocht, lauert auf einmal nichts,
während Zelle für Zelle, mit jedem Herzensschlag
mein einzig guter Nachbar sich beiseite schiebt
und sich in einen verwandelt, den ich früher kannte:
einen Fremden, der vorüberging, den es zu trauern trieb;
Ehemann und Vater, Reicher, Armer, Dieb.
Bild: Carolin Gutt: Shrub, schottische Westküste, Anfang Januar 2020.
Soundtrack: Michael Marra: Hermless, aus: On Stolen Stationery, 1991,
vom Künstler als alternative schottische Nationalhymne und von Carolin als Vertonung vorgeschlagen:
Nachtstück 0023: Watch out, the world’s behind you
——— Hank Nagler:
Morgen
1993:
Die Kerzen brennen.
Nico singt vom Sonnenaufgang.
Bukowski säuft bei meinem Wein mit.
Die Angst vor dem Morgen,
zerflackert im Feuer der Dochte.
Lethargie vor den Konsequenzen.
Soundtrack: The Velvet Underground: Sunday Morning,
aus: The Velvet Underground & Nico, 1967 (lead vocals: Lou Reed):
Dornenstück 0001: Jesus liebt euch alle
Update zu Schreiet fort, Mißtöne, zerschreiet die Schatten: denn Er ist nicht!:
Gestern haben wir den Günter († 52) begraben.
——— Günter „Jack“ Eckl:
J 16. 1 96
16. Januar 1996:
Ich spiele gerade mit dem Gedanken,
„Mein bestes Stück“ in Gips gießen zu lassen,
um der Nachwelt etwas zu hinterlassen,
worauf sie stolz sein kann.
Erst dann dürft ihr mich
in die Urne packen,
und meine Asche anbeten.
J 16 1 96
16. Januar 1996:
Blauschimmernd thront der Morgen vor meinem Fenster,
nicht unglücklich, nein, unnachgiebig,
Zigarettenqualm entsteigt dem marmornen Aschenbecher,
Starker, schwarzer Kaffee ergießt sich
in die Tasse…Warum können Morgen
nicht immer so ablaufen?Im ganzen Haus ist es still,
im Radio hört man leichte,
unaufdringliche Musik
ohne Ecken und Kanten,
einfach nur da,
um gespielt und im Vorbeigehen
gehört zu werden…Warum können Morgen
nicht immer so ablaufen?Draußen auf den Straßen
begrüßen sich wildfremde Menschen,
ein Selbstmord wird in diesen Stunden
nicht verübt,
junge Leute helfen Senioren über die Straße,
keine Vergewaltigungen, keine Morde,
keine Überfälle, keine ausländerfeindlichen Übergriffe,
keine willkürlichen Polizei-Einsätze, kein Ärger,
einfach nur…
ein blauschimmernd
schöner Morgen…Warum können Morgen
nicht immer so ablaufen?
J 1 3. 96
13. Januar 1996:
Zuviel thront oben in der großen Schwärze,
oder zu wenig…
ich weiß es nicht
die Mischung stimmt einfach noch nicht,
wie der Melitta-Mann jetzt sagen würde.
Meine Zahnbürste vereint sich mit Zahnweiß,
meine verstorbene Tochter
braucht noch nicht mal mehr das,
die Musik umarmt mich,
so gut sie kann,
selbst Helmut trägt in diesen Zeiten
Lack- oder Gummi-Unterwäsche,
was soll diese Welt noch?
Wo stecken die Innovationen,
Wo bleibt der letzte Kick?
Wer befreit die letzten Sklaven der Vernunft
endlich aus ihren notdürftig eingerichteten
Kapitalisten-Herbergen?
Wer fackelt endlich das Oktoberfest
pünktlich ab?
Wer buddelt wieder die Gräber zu
die man für eine verstörte, verunsicherte
zutief verängstigte Jugend
bereits ausgebuddelt hat?
Was soll diese Welt?
Was soll diese Zeit?Zerstört die Uhr der Zeit,
sie wirkt so unnatürlich
natürlich,
so billig,
so aufgesetzt, so inszeniert,
so plump, so aufgebläht.EIn Ochsenfrosch
klatscht ins Wasser,
zu dick, unbeweglich und leer,
um untergehen zu können,
trockengelegte Regenwälder machen’s möglich.Also keine Panik,
und vergeßt nicht:Jesus liebt euch alle
Buidl: Günter „Jack“ Eckl (* 13. Juli 1967; † 15. August 2019), Selbstportrait als Leonard Cohen;
Vignette: Paul Scheerbart.
Soundtrack: Leonard Cohen: You Want It Darker, aus: You Want It Darker, 2016:
A million candles burning
For the help that never came
You want it darker
We kill the flame.
Bonus Track: Johnny Cash: I Corinthians 15:55, aus: American VI: Ain’t No Grave, 2010:
Tod / wo ist deine Stachel? / Helle /wo ist dein Sieg?
You never no
Update for Break in college sick bay and
Die deutsche Sirene vom Zwirbel im Rhein in die Bronx:
——— Josephine H.:
The city
in: Facebook, December 6th, 2018:
as you walk insid. so much
peopel. So much sowns. cars
driving along. fast or slo.
you never no. so much houses.
hi and lo.
Image: Mama, December 6th, 2018.
Soundtrack: The Distillers: City of Angels, from: Sing Sing Death House, 2002:
Das ehrbare Antiquariat
Update zu Ludwig Tieck is coming home
und Unboxing Ludwig Tieck:
Redlichkeit gedeiht in jedem Stande.
Schiller: Wilhelm Tell, II/2, Stauffacher.
Mail an Antiquariat Dr. Wolfgang Rieger (Versandantiquariat, kein Ladengeschäft), in der Nacht auf Sonntag:
Sehr geehrte Damen und Herren,
Sie bieten die dreibändige Ausgabe von Karl Philipp Moritz an. Ich habe noch Fragen zu Ausstattung und Zustand:
- Sind alle drei Schutzumschläge vorhanden? Meines Wissens sind sie bei dieser Ausgabe weiß?
- Ist der Schuber vorhanden?
- Sind die Bände mit Lesebändchen ausgestattet?
Mit freundlichen Grüßen,
Wolfgang Gräbel
Mail von Antiquariat Dr. Wolfgang Rieger, am heiligen Sonntagmittag:
besten Dank für Ihre Anfrage.
Alle drei Schutzumschläge sind vorhanden. Wenn Sie auf antiquariat.de suchen, können Sie auch ein Bild sehen, das bei booklooker aus mir unerfindlichen Gründen verschwunden ist.
Ein Schuber und Lesebändchen sind nicht vorhanden.
Wenn Sie an gediegenen Ausgaben interessiert sind, würde ich abraten, ich halte diese Ausgabe für eine billige MA-Variante.
Beste Grüße,
wolfgang rieger
Für die Telefonwischerchen unter uns: MA heißt in diesem Fall Modernes Antiquariat. Die richtige Fundstelle ist wohl:
Daraus folgend: Mail an Antiquariat Dr. Wolfgang Rieger, am unheiligen Montagfrüh:
Guten Tag, Herr Dr. Rieger,
recht schönen Dank für die akkurate Auskunft und Ihre damit einhergehende Offenheit, was die Qualität der Ausgabe betrifft. Das ist nicht selbstverständlich. Das Bild dazu habe ich auf antiquariat.de gefunden.
Umso mehr tut es mir leid, dass es dann doch etwas gediegener als MA sein sollte, und ich mich für das nächstteurere Angebot entscheiden werde. Ich werde Sie aber empfehlen, wo immer ich nur kann :)
Mit freundlichen Grüßen,
Wolfgang Gräbel
Hier kann ich: Kaufet beim Doktor Rieger in Freiburg im Breisgau! Der rät auch mal vom Geldrausschmeißen ab, wenn er glaubt, dass es nichts für euch ist. So eine Ehrbarkeit muss man erst mal finden. — : Antiquariat.de; Booklooker.
Doktor Riegers dreibändiger Moritz fürs Moderne Antiquariat muss übrigens textgleich mit den „offiziellen“ Auflagen sein und deshalb perfectly peachy keen für jeden, der zuverlässige Texte wünscht und nicht gleich wie ich eine — denkbar zickige und eher aussichtslose — Wertanlage. Mit meiner Zickerei hab ich ihn dem Schnellsten übrig gelassen.
Wenn mich nächste Woche wer sucht: vermutlich hinter dem Insel-Original mit Schuber von Bianka „Wilz“ Willaredt, Pfarramts-Sekretärin aus 79350 Sexau, die eine Chance verdient.
Bild: Antiquariat Dr. Wolfgang Rieger auf Antiquariat.de, ca. 18. Juni 2018.
Soundtrack: Reina del Cid: Library Girl, 2010, live am 6. August 2017:
I’ve gotten at least a dozen requests for a remake of this old song, „Library Girl,“ so here it is in all its acoustic glory! I can’t believe it’s been ten years since I filmed that DIY „music video“ for this song in my university’s library (and got kicked out in the process). If you want a laugh and to revisit it, here’s the link.
For this version, I had Toni join me with some lead guitar and eyeglasses. :)
Ach Gott, sie sind doch herzerfrischend; kann ja nicht jedes Mädchenduett First Aid Kit sein.
Sich für Fluss entscheiden für ein Stück von dem Fluss
Update zu Nachtstück 0009: Dieselben Finger:
Newsflash: Kathrin Bach, Buchhändlerin bei Buchhandlung Anakoluth Berlin, mit dem Gedicht der Woche im Signaturen-Magazin, Forum für Autonome Poesie, 5. Juli 2018, ist für den Lyrikpreis München 2018 nominiert und liest für die 1. Entscheidungsvorrunde am 20. Juli um 19.30 Uhr im Münchner Literaturbüro, München-Haidhausen, Milchstraße 4.
Weitere Nominierte — und deshalb dort Lesende! — alphabetisch:
- Yevgeniy Breyger (Frankfurt am Main);
- Udo Kawasser (Wien);
- Lea Sauer (Leipzig);
- Armin Steigenberger (München);
- Elisa Weinkötz (Berlin).
2. Vorrunde: 28. September 2018 (Einreichfrist: 15. August 2018), Finale: im Oktober.
Man sieht sich doch?
——— Kathrin Bach:
Rinnsale
aus: Schwämme. Gedichte, parasitenpresse Band 037, Köln 2017; 14 Seiten. 6,00 Euro:
Die Entscheidung nach rechts oder links zu schauen
sich für Schwäne entscheiden oder Häuschen Häuser Leerstand
ein See und wie viel Prozent von diesem See
die Bilder im Kopf vorbeiziehen sehen dein halber Kopf
sich für Wand entscheiden oder Fenster für Gardine auf oder zu
der Zug der die Landschaft teilt die Äcker von hier aus
sich links neben dich stellen
sich für deine linke Hand entscheiden
ein halbes Paket Mehl das sich in meiner Hand löst
sich in dieses Bett denken in deinen Kopf
mit deiner halben Zunge sprechen ihr Schlingern
dein halber Kopf dein eines Bein dein Arm
eine Linie die sich zu krümmen beginnt
sich für Fluss entscheiden für ein Stück von dem Fluss
für eine still gelegte Fläche die ich von allen Seiten betrachte
deine zwei Hälften unter der Decke
und der Punkt an dem sie zusammenführen
Bilder: Kathrin Bach: 24. September 2011;
Für den gefrorenen Frappé in uns. Schönen Sonntag., 8. Juli 2018.
Bach in München: Das Münchener Bach-Orchester unter Karl Richter
mit allen sechs Brandenburgischen Konzerten, vermutlich 1967:
Der deutsche Sonderweg zur Hochkomik 1–10
Update zu So herzerwärmend dreist:
——— Robert Gernhardt:
Zehn Thesen zum komischen Gedicht
Originalbeitrag für Robert Gernhardt und Klaus Cäsar Zehrer (Hrsg.):
Hell und Schnell. 555 komische Gedichte aus 5 Jahrhunderten,
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main, März 2004,
vorab als Zur Heiterkeit bereit, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12. Februar 2004:
Es gibt ernste und komische Gedichte.
Bertolt Brecht unterschied zwei Linien, welchen das deutsche Gedicht der Neuzeit folge, die pontifikale und die profane. Goethe sei der letzte Dichter gewesen, welcher noch beide Stränge in seinem Werk vereinigt habe; schon Hölderlin nehme die „völlig pontifikale“, bereits Heine ganz die profane Linie ein. Der Dichter Brecht deutet an, daß ihm die Zusammenführung beider Linien erneut gelinge; zumindest ist nicht zu bestreiten, daß er den hohen Ton ebenso beherrscht wie den kessen. Beileibe nicht alle Gedichte der profanen Linie sind komisch, doch liegt auf der Hand, daß kein — mit Absicht — komisches Gedicht der pontifikalen Linie zugerechnet werden kann.
Das komische Gedicht zielt auf das Lachen ab.
Weit älter als der von Brecht bemerkte Unterschied ist die Scheidung der Gedichte in solche, die von den Leiden und Freuden des einsamen Ich handeln, und solche, die es auf ein zuhörendes Du, wenn nicht sogar mitmachendes Wir abgesehen haben. Da es sich am besten in Gesellschaft lacht, ist unschwer zu erraten, welchem Strang das komische Gedicht angehört.
Das komische Gedicht erschöpft sich nicht im Lachen.
Anders als der Witz, der schnurstracks auf eine Pointe zumarschiert, deren Wirkung sich in einmaligem Gelächter entlädt, ist beim komischen Gedicht bereits der Weg das Ziel. Dieser Weg läßt sich auch dann nochmals mit Genuß zurücklegen, wenn der Leser oder Zuhörer weiß, worauf das Ganze hinausläuft. Um so aufmerksamer wird er sich den Schönheiten am Wegesrande zuwenden können.
Das komische Gedicht braucht die Regel.
Komik lebt von vorgegebenen Ordnungssystemen, ganz gleich, ob die außer Kraft gesetzt oder lachhaft penibel befolgt werden. Daher kann das komische Gedicht nur profitieren, wenn es von allen Regeln der Kunst tradierter Suggestionstechniken wie Reim und Metrum durchtränkt ist und wenn sein Dichter von allen bereits erprobten Drehs zur Herstellung komischer Wirkung weiß. Was er ererbt von seinen poetischen Vätern hat, sollte der Verfasser komischer Gedichte aus zweierlei Gründen erwerben. Um es zu besitzen und um es bei Bedarf getrost zu belachen.
Das komische Gedicht bedarf der Inspiration.
Ohne Überraschung keine Komik, weshalb ein allein nach tradierten Regeln verfertigtes komisches Gedicht einen Widerspruch in sich selbst darstellt. Gerade der Verfasser komischer Gedichte ist stets dazu angehalten, jene Frage ernst zu nehmen, dank deren Ernst Lubitsch seinen Filmen den Lubitsch touch verlieh: „Wie kann man es anders machen?“ Anders machen oder anders sehen: Manchmal genügt ein schlichter Blickwechsel, um Walten, Wähnen, Wesen und Worte in ein anderes, komisches Licht zu tauchen.
Es gibt komische Gedichte, aber keine komischen Dichter.
Alles Dichten, sofern es Reimen meint, ist schon deshalb nicht frei von Komik, da es mit Sprache spielt und den Sinn wie Wortlaut eines Gedichts einem herzlich sinnlosen — richtiger: sinnfreien — Selektionsprinzip unterwirft, dem, Worte mit gleichklingenden Bestandteilen zusammenzustellen. Dieser — zur Kenntlichkeit entstellten — Unsinnigkeit verdanken sich Kinderverse, Klosprüche und Kommerslieder ebenso wie die Klassiker der komischen Dichtung. Die freilich sind zugleich zutiefst den Klassikern hochernster Dichtung verpflichtet, da deren hoher Ton, ob gereimt oder ungereimt, erst jene Fallhöhe ermöglicht, die großes Wollen, große Werte und große Worte so richtig auf den Bauch fallen läßt. Auch gibt es keinen herausragenden Verfasser komischer Gedichte, der sich ein Leben lang ins Gatter des komischen Gedichts hätte einsperren lassen: Heine, Busch, Morgenstern sowie die weiteren üblichen Verdächtigen haben auch Gedichte ernster Art und Machart geschrieben.
Das komische Gedicht ist zeitverfallen.
Komische Gedichte wurden zu allen Zeiten verfertigt, ohne daß wir Heutigen sie durch die Bank belachen könnten. Wenn Lachanlässe in Vergessenheit geraten, wenn zeitbedingte religiöse, gesellschaftliche und politische Grenzziehungen und Tabus nicht mehr als bedrückend und verpflichtend empfunden werden, dann kann deren punktuelle Aufhebung kein befreites Gelächter zur Folge haben. Auch ist nicht zu übersehen, daß das komische Gedicht im Laufe der letzten Jahrhunderte deutlich heller und schneller geworden ist — darin der komischen Prosa vergleichbar, deren bräsiger „Schwank“ im Laufe der Jahrhunderte zum raschen „Witz“ mutierte.
Das komische Gedicht ist haltbar.
Zumindest gilt dies für deutschsprachige komische Gedichte seit der Aufklärung, und das ist kein Zufall. Die meisten Verfasser komischer Gedichte waren und sind ernsthaft darum bemüht, lachend die Wahrheit zu sagen: „Es gibt zwei Sorten Ratten, / die hungrigen und satten“, „Enthaltsamkeit ist das Vergnügen / an Dingen, welche wir nicht kriegen“, „Weil, so schließt er messerscharf, / nicht sein kann, was nicht sein darf“, „Es gibt nichts Gutes / außer: Man tut es“. Seit Gellert und Lessing haben deutschsprachige Dichter nicht aufgehört, aus der Tatsache der gebrechlichen Einrichtung der Welt kein Drama zu machen, sondern handfeste komische Gedichte, und die Leserschaft hat es den Verfassern dadurch gedankt, daß sie deren profane Pointen weit häufiger im Munde führt und von Generation zu Generation weiterträgt als die pontifikalen Worte der Dichter-Priester. Wir zitieren Heinrich Heine und nicht Ernst Moritz Arndt, Wilhelm Busch und nicht Emanuel Geibel, Christian Morgenstern und nicht Stefan George, Erich Kästner und nicht Theodor Däubler.
Das komische Gedicht ist der Königsweg zum Lachen.
Obwohl der Mensch gerne lacht, fällt es ihm, auf sich gestellt, schwer, zum Lachen zu finden. Also muß er zum Lachen gebracht werden, und dabei haben sich kurze Mitteilungsformen als besonders effektive Transportmittel erwiesen: Fabel, Anekdote, Witz. Sie alle aber übertrifft das Gedicht. Rascher und umstandsloser als jeder Witz vermag es der Zweizeiler, einen nach Auflösung drängenden befremdlichen Sachverhalt aufzubauen, ja aufzustauen: „Die schärfsten Kritiker der Elche“ — Wieso Kritiker? Weshalb Elche? — „waren früher selber welche“ — Ach so! Deshalb!
Das Lachen sei „ein Affekt aus der plötzlichen Verwandlung einer gespannten Erwartung in Nichts“, lehrt Kant. Nichts nichtiger, ergo: erfreulicher, als daß der Dichter die befremdlichen Elche „um des Reimes willen“ evoziert und abserviert hat. „In der Kürze liegt die Würze“, weiß der Volksmund, und „Jedem Tierchen sein Plaisierchen“: Nicht alle Vierbeiner kommen so rasch zum Punkt wie obengenannte Elche. Doch auch wenn ein Kleinräuber aus der Familie der Marder sich ein wenig Ruhe gönnt und sich Zeit nimmt — „Ein Wiesel / saß auf einem Kiesel / inmitten Bachgeriesel“ —, muß der Lachlustige nicht lange auf die Erklärung des Warum warten: „Das raffinier- / te Tier / tat’s um des“ siehe oben, und der düpier-te Mensch ist mal wieder auf die schnelle zum Lachen gebracht worden.
Der deutsche Sonderweg zur Hochkomik
Das komische Gedicht markiert einen deutschen Sonderweg zur Hochkomik. Die Deutschen gelten im In- und Ausland als humorlos, was gerne damit begründet wird, daß ihnen ein großer Lustspieldichter vom Schlage eines Shakespeare ebenso fehle wie ein großer komischer Roman vom Range des „Don Quichotte“. Nun könnte ein Zweifler die Frage stellen, ob es denn so ausgemacht sei, daß die naturgemäß durch Helligkeit und Schnelligkeit wirkende Komik in langen und breiten Zusammenhängen besonders gut aufgehoben ist. Nicht eher in Kurzformen?
Ein Kundiger aber könnte darauf verweisen, daß sich eine seit Lessings Tagen nicht abgerissene Kette komischer Gedichte durch die deutschsprachige Hochliteratur zieht, welche in dieser Dichte und Qualität in keiner anderen kontinentaleuropäischen Nationalliteratur zu finden ist.
Jeder Generation des neunzehnten und zwanzigsten Jahrhunderts erwuchs hierzulande ein Dichter, dessen komische Kraft ihn dazu drängte, die sich ständig erneuernden Anlässe zum Belachen und Verlachen aus neuen Blickwinkeln zu erfassen und mit neuen Redeweisen festzuhalten. Heine, Busch, Morgenstern, Ringelnatz, Tucholsky, Brecht, Jandl — jeder aus diesem Siebengestirn ist ein Stern erster Ordnung und zugleich ein Original. Bei jedem ergäbe eine Spektralanalyse seiner Aura ganz unterschiedliche U- und E-Wellen-Anteile, und doch bilden alle zusammen eine Plejade, deren Helligkeit — verstärkt durch eine Vielzahl von weiteren Komik-Sternen unterschiedlicher Größe — bei Licht betrachtet zweierlei bewirken müßte: den düsteren Vorwurf fehlender deutscher epischer oder dramatischer Hochkomik zu überstrahlen und das finstere Bild vom humorlosen, ja zum Humor unfähigen Deutschen in den Herzen aller rechtlich Denkenden für alle Zeiten aufzuhellen.
Bilder: Erika „Easy“ Tcogoeva: Princess Plain, 20. November 2015 und 8. August 2017.
Nachtstück 0010: Dieses Zucken im Zwerchfell
——— Juli Zeh:
Griffe und Schritte
in: Adler und Engel, 2001:
Auf der Autobahn dreht sie das Radio an und wippt den Kopf im Takt. Im Dunkeln sehe ich, dass sie lächelt.
Das Leben ist merkwürdig, flüstert sie, es besteht eigentlich nur aus Griffen und Schritten. Ein paar wenige davon und schon ist alles anders.
Ich spüre es wieder, dieses Zucken im Zwerchfell.
Soundtrack: The Byrds: Wasn’t Born to Follow, aus: The Notorious Byrd Brothers, 1968:
Münchner Sommerhaiku
Update zu Japanischer Frühling (Hammer):
Im Teer festgedrückt
ein Löwenbräu-Kronkorken:
nix Route 66.
Bild: Megan Lynn W.: Waiting in the Rubble, San Diego, April 16th, 2014 (mit detailreicher Ansicht):
I did this photo as a sort of homage to all the people that work really hard with no reward — waiting for something good to happen. Interns, people looking for jobs, or people generally just down on their luck. A lot of the time we have to be in really bad situations for a really long time in order for something good to happen. I know I’ve had firsthand experience with this, and a few people close to me have as well.
I did the formatting similarly to that of Rachel Baran’s partly because I love her work, but mostly because I wanted the „road closed“ and not wanted sings to be of less importance. It’s not really about why or what is blocking the way, but how you handle it. *breaks into song* ITSSS THE CLIIIMB
There’s my schpeel.
Soundtrack: Miley Cyrus: The Climb, aus: Hannah Montana: The Movie Soundtrack, 2009:
Die Litaneien des Körpers
Zeit für uns.
——— Anna Real:
Das tristere Tier
Erstveröffentlichung in: Steffen Jacobs (Hg.): Liederlich! Die lüsterne Lyrik der Deutschen,
Eichborn Berlin, 2008:
Die Erde stellt sich ein bißchen schräger.
Die Sonne scheint auf mein Bett.
Die ganze Nacht war es waagrecht, integer.
Wir haben’s versaut. Wir waren nicht nett.
Was haben wir ihm in die Kissen gestöhnt,
vereint uns, entzweit und gleich wieder versöhnt,
gesuhlt uns, geaalt und herumtrompetet,
was weich ist, immer noch weicher geknetet,
die Litaneien des Körpers rauf und runter gesungen,
was hart bleiben soll ohne Stahlbad gestählt.
Die siebenbürgische Arbeitsteilung:
gebissen hab ich
und du hast
gepfählt.Das Bett wär‘ am liebsten schamrot lackiert.
Für das Tier mit zwei Rücken sei es nicht konstruiert.
Dabei kommt’s aus Schweden, heißt wie eine Schäre,
hat den Elchtest bestanden und die ungefähre
Tragkraft von plusminus von dir und mir.
Die Laken verzwirbelt, anstatt glatt gebügelt,
und auch die Kissen getalt und gehügelt,
eine Winzigkeit übers Parkett verschoben,
durch unser kleines, gepflegtes Toben.
Tief drinnen noch warm und feucht in den Falten,
hängt’s jetzt halt ein bisserl durch.
Muss erkalten.
Wie wir.
Für mein Mädchen mit den schamlos rot lackierten Low-Highlights.
Bilder: Faces of Bliss, 2016;
Soundtrack: immer wieder Placebo: Every You Every Me aus: Without You I’m Nothing, 1999:
2. Katzvent: „Ich mag euch nicht“, wird die Katze denken
Der Advent 2016 führt uns nicht mehr einfach das künstlerische Schaffen über Katzen vor,
sondern das von Katzen.
„Auf die Idee der sprechenden Katze war Liam Gillick nach monatelangen Vorbereitungen in seiner eigenen Küche gekommen, wo er von der Katze seines Sohnes umschlichen und bei der Arbeit gestört wurde“, berichtet Kater Paul. Gut, auf die Idee kann man draufkommen, so als Katze.
Leider überliefern weder ihr Mitarbeiter Herr Gillick noch „die Küchenkatze“ selbst den Namen der Künstlerin. Ihre eigentliche Kunst bestand wohl hauptsächlich darin, mit dem mit Zeitungspapier gestopften Maul zu sprechen. Entfernen, was sie unter normalen Umständen als erstes getan hätte, konnte sie ihre Maulsperre nicht, weil sie leider schon ausgestopft war.
Eine süße Miezekatze, die sprechen kann, oben auf dem Küchenschrank mit einem süßen roten Halsband, und dann noch als Installation von einem süßen Engländer, der als erster nicht-deutscher Muttersprachler den Deutschen Pavillon eröffnen darf! Und dann lassen sie die Leute ratlos in ihren aseptischen Spanplattenreihen herumtapsen und machen nichts aus ihrer selbst gebauten Steilvorlage des Cat Contents.
Das war nicht auf britische Weise schwarzhumorig. Das war morbid. Bei Ikea ist’s lustiger. Schade, da wäre mehr drin gewesen.
——— Liam Gillick:
Wie würden Sie sich verhalten? Eine Küchenkatze spricht
How are you going to behave? A kitchen cat speaks,
Installation im Deutschen Pavillon der Biennale di Venezia 53, Internazionale d’Art, Venedig, 2009,
Übersetzung via Deutscher Pavillon, 10. Oktober 2009 bis 10. Januar 2010:
Es wird eine sprechende Katze geben. Alle Menschen des Ortes werden sehr stolz auf ihre sprechende Katze sein.
Die Menschen werden täglich kommen um zu hören, was sie zu sagen hat.
Sie wird sehr zynisch sein, aber nicht bösartig.
Sie wird alles sehen und alles verstehen.
Nach einer Weile werden die Leute nur am Wochenende kommen oder auf dem Heimweg von der Arbeit oder der Schule vorbeischauen.
In ruhigen Zeiten werden sie kommen und der Katze aus der Zeitung vorlesen oder im Internet surfen und gute Geschichten über das Weltgeschehen, die von Interesse sein könnten, auftreiben.
Eines Morgens wird es regnen.
Die Dinge in der Welt werden sehr ruhig gewesen sein und die Katze wird nichts zu sagen haben. Man könnte sogar denken, sie sei leicht depressiv.
Ein kleiner Junge und ein kleines Mädchen werden kommen, um die Katze auf ihrem Weg zur Schule zu besuchen. Diese Art von Dingen wird die Katze nervös machen.
Sie wird raffiniert sein, aber ihre Gefühle durch Bewegungen ihres Schwanzes verraten. Die Katze wird ein gewisses Maß an ordnung verlangen. Sie wird das als „natürliche Ordnung“ bezeichnen – etwas, das davon ausgeht, dass man den Menschen vertrauen kann, dass sie das Richtige tun.
Und die Katze auf dem Weg zur Schule zu besuchen wird nicht immer das Richtige sein, denn es wird bedeuten, dass die Kinder zu spät kommen werden.
Wie wir jedoch herausfinden werden, wird die Katze leicht depressiv sein, da sie unter Langeweile leidet und auch unter ihrer Rolle als einzig sprechender Katze auf der ganzen Welt.
Die Katze wird wissen wollen, was los ist.
Nur durch das Füttern mit Information wird sie weise, interessant oder sogar witzig sein. Aber an diesem Tage wird sie keine neuen Geschichten parat haben.
Sie wird hoffen, dass die Kinder Google News oder sogar Le Monde Diplomatique lesen und ihr überraschend agiles Gehirn füttern.
Aber die Kinder werden nur im Gang herumstehen. Sie werden ein wenig Angst vor der sprechenden Katze haben.
Irgendetwas an ihr wird sie nervös machen.
Irgendetwas tief in ihrer Psyche wird wissen, dass da etwas Böses in dem Gebäude ist.
Aber sie werden es mögen, wenn die Katze hustet.
Sie werden es süß finden, wenn die Katze lacht.
Aber wenn sie weint, werden sie tagelang Albträume haben – schlimme Albträume, die sie nicht werden kontrollieren können und die zu den schlimmsten Zeitpunkten auftreten.
Albträume, die sie aufwecken werden und sie an Maschinen in der Wüste denken lassen, die schreckliche Dinge tun.
Daher werden die Kinder nur im Gang herumstehen.
Unbeweglich.
Und die Katze wird oben auf den Küchenschränken sitzen bleiben.
Die Katze wird nicht sprechen.
Die Kinder werden nicht sprechen.
Die Katze wird in der Küche sein und die Kinder werden in der Küche sein.
Um aus dieser Sackgasse herauszukommen, wird die Katze husten und ihren Kopf bewegen.
Sie wird sprechen, aber anders als andere Katzen wird sie nicht mehr lächeln.
„Na, was macht ihr da?“
Wird die Katze sagen.
Sie wird ein paar Tage lang nicht gesprochen haben, und wann immer das passiert, wird sie ihren Akzent und ihre Klarheit verloren haben, und sie wird beginnen, mit einem Katzenakzent zu sprechen.
Die Kinder werden so etwas hören wie
„Naaa, waaas maaacht eeeer daaar?“
Sie werden näher herankommen. In der Hoffnung, klarer zu verstehen.
„Was hat sie gesagt?“ Wird das Mädchen zu dem Jungen sagen.
„Etwas von Wasser und Gefahr“, wird der Junge sagen.
„Ich glaube nicht.“ Wird das Mädchen sagen.
Die Katze wird versuchen zu lächeln, aber sie wird das Gesicht nur zu einer hässlichen Grimasse verziehen.
„Ich mag sie nicht“, wird der Junge sagen.
„Ich mag sie nicht“, wird das Mädchen sagen.
„Ich mag euch nicht“, wird die Katze denken.
„Bitte kommt und erzählt mir was“, wird die Katze sagen.
Der Junge und das Mädchen werden noch näher kommen.
Sie werden neugierig sein, wie sich das Fell der Katze anfühlt und herausfinden wollen, ob sie gerne gestreichelt wird. Wenn sie einmal anfängt zu sprechen, werden die Leute sie eher respektieren als lieben.
Aber sie werden auch aufhören, die Katze anzufassen.
Es wird einen Zeitpunkt gegeben haben, als die Leute sie anfassten, liebten und mit ihr spielten.
Aber jetzt wollen alle ihre Meinung hören zur Geschichte totalitärer Architektur oder zur Kreditrestriktion im Zusammenhang gescheiterter Modelle von Globalisierung.
An diesem Morgen, nach all dem Regen und der leichten Depression wird die Katze spüren, wie ihr Katzensein zurückkehrt.
Sie wird jemanden haben wollen, der ihr vorliest, aber mehr noch, sie wird wollen, dass diese beiden Kinder mit ihr spielen.
Der Junge wird dem Mädchen seine Hand reichen.
Sie wird seine Hand in ihre nehmen.
Sie werden ganz langsam auf die Katze zulaufen.
„Guten Morgen, sprechende Katze“, wird das Mädchen sagen, denn es ist sehr mutig in komplizerten sozialen Situationen.
„Morgen“, wird die Katze sagen und sich bemühen, ihre Stimme zurückzugewinnen und so deutlich wie ein Mensch zu sprechen.
„Wenn es euch nicht zu viel ausmacht“, wird die Katze sagen, „könntet ihr mich über das Weltgeschehen auf dem Laufenden halten. Ich würde mich freuen, wenn ihr ein paar News Aggregatoren für mich im Internet durchseht.“
Die Kinder werden verwirrt aussehen. Sie werden nicht wissen, was ein News Aggregator ist.
Diese Katze wird mit der Zeit ein wenig prätentiös geworden sein.
„Wir hatten gehofft, du würdest uns was erzählen“, wird der Junge sagen.
„Wir haben heute schulfrei“, wird das Mädchen lügen.
Der Junge wird nervös schauen.
Die Katze wird klug sein und die Schulzeiten kennen.
Die Katze wird wissen, dass die Schule in fünf Minuten anfängt und die Kinder auf jeden Fall zu spät kommen werden.
Aber ausgerechnet heute wird es ihr nichts ausmachen.
Es wird sie nicht kümmern, dass die Kinder ihren Unterricht oder ihre große Pause verpassen.
Es wird sie nicht kümmern, dass sie das Mittagessen oder die freie Zeit in der Bücherei verpassen.
Alles, was ihr wichtig ist, ist, dass jemand hier ist an einem dunklen Tag in einem dunklen Gebäude.
Sie wird schniefen.
Der Atem der Kinder wird nahe sein.
Sie wird gelernt haben, dass die Menschen wissen, dass Katzen ihren Atem stehlen.
Die Katze wird gelernt haben, dass das Blödsinn ist.
Es sind Gebäude wie dieses, die den Menschen den Atem stehlen.
Wie auch immer. Was ist schon dabei, sich für eine Weile den Atmen eines Kindes auszuleihen?
Alles, was Katzen wissen, ist, dass er süß riecht und voller Intelligenz ist, Güte und Spaß.
Sie wird einen tiefen verstohlenen Zug aus dem Atem der Kinder nehmen und während sie taumeln und in Ohnmacht fallen, davonschweben und träumen, wird sie beginnen, ihnen eine wahre Geschichte über die Weisheit einer Küchenkatze zu erzählen…
Fachliteratur: Liam Gillick: Der Katalog bei Sternberg Press, einsehbar bei les presses du réel, 2009;
Simon Bond: Was tun mit toten Katzen?, Rowohlt, 1982.
Bilder: Liam Gillick’s ‚How Are You Going To Behave? A Kitchen Cat Speaks‘ for the German Pavillion, Giardini, Venice Biennale, 2009, via Your Studio: Modern Treasures from the Venice Biennale, 9. Juni 2009;
Liam Gillick’s Wie würden Sie sich verhalten? Eine Küchenkatze spricht (How are you going to behave? A kitchen cat speaks) 2009. Installation view in the German Pavilion at La Biennale di Venezia 53, Internazionale d’Art, Venice, 2009. Photo courtesy the artist, via Walker Art Center: 9 Artists: Bartholomew Ryan on Liam Gillick, 24. Juni 2014.
Als Bonus Track eins von den kinderfreundlichen Liedern, die bei Neunziger-Retrospektiven dauernd übergangen werden, aber das musikvisuelle Schaffen der Neunziger recht gut zusammenfassen: Ugly Kid Joe: Cat’s in the Cradle aus: America’s Least Wanted, 1992:
Wunderblatt 8: Something greater than me
Update for Wunderblatt 7: Die Vegetation ist der negative Lebensprozeß. Vom ursprünglichsten Gegensatz zwischen Pflanze und Tier — und Emily und Emily
and Schmerz, Tod und Graus gar spaßig zu erfassen:
——— John Urso:
Comment
March 2016, on Tom Waits: Take One Last Look,
live on the second last Late Show With David Letterman, May 14th, 2015:
If there is some esoteric poet girl out there who needs an imperfect friend… let me know. I have never found the person who gets the religious experience that Tom and similar artists bring. Today in the woods… I found a mason jar, with the lid off. Inside it was plants, worms, and other stuff that is over my head. A whole world was living in that half ass terrarium provided by a something greater than me… I cant get it out of my head.
Image: of esoteric poet girl with half ass terrarium:
Sophia „Send me adrift.“: Caliginous Hearts, Connecticut, December 3rd, 2012: „7:00 am, top of the hill at the park, humid and foggy, cold. I’m proud of this. I really am.“
She looked so sweet from her two bare feet to the sheen of her nut brown hair
Update zu Weder Schuh und weder Strümpf (und einen Striffel um den Hals):
——— Sina Opalka, 23. November 2006:
detail
nichts von alledem gehört dir.
das wollt ich dir nur sagen.
aber heut kannst du mich haben.
das wollten sie dir verschweigen.
Text & Bild: Sina Opalka, 2006;
Die Überschrift ist einer wie immer unentwirrbaren Assoziationskette, wie sie Sina gleichsieht, dem Irikum Star Of The County Down entnommen; meine empfohlene Version ist die von den Orthodox Celts, 1997;
Soundtrack: Sigur Rós: Glósóli, aus: Takk, 2005:
Ein ewig Weißwurschten
Update zu Endlich handfeste Verse:
——— Nikolaus Dominik (8. Juni 1951, Amberg bis 10. September 2012, München):
München
aus: Es schneit ins Herz. Letzte Lyrismen,
edition DAS GEDICHT, September 2013, Leitner Verlag Weßling, 99 Seiten, 12,50 Euro:
ach –
ein ewig Weißwurschten
oktoberfestet dahinWelten weißblauen
es brodelt & jodelt & odelt
in HofbräuhausenEin-Heimischen wird Widerstand
Deckengemälde: Klosterkirche Schäftlarn,
renoviert bis 2012.
Hören wir das Husten einer Grille im Schnee?
——— Kurt Drawert:
Idylle, rückwärts
aus: Idylle, rückwärts. Gedichte aus drei Jahrzehnten, C.H. Beck, München 2011:
Eben noch war es der Leichtsinn
des Frühlings, und schon pfeifen die Vögel
im Innenrohr weiter, ununterscheidbar
vom Rauschen des Blutes,
oder was sonst noch passiertjenseits der Herrlichkeiten.
Man beschäftigt die Fachwelt
mit seinem Körper, nervt,
weil die Geheimnisse wechseln,
und wird auf die Zukunft verwiesen.Dabei ist das alles, von einem Moment
auf den anderen, sehr einfach:
die Idylle spult rückwärts,
wie ein Film am Anschlag der Rolle.
Die Geschichte der Geschichte beginnt,das andere Leben, als Homunkulus
im Sprechstundenzimmer
mit gebürstetem Schädel
und Stich in die Vene.
Sehr privat auch erkennbar als Schwächedes Phallus, dieser Knick einer Blume,
bevor sie zum Kraut fällt.
Es ist der Anfang vom Abgang.
Es ist die Stunde der Hunde.
Und so geht es zu nach den Höhepunkten:Beckett, mein Teckel, vierjährig —
wegen Aufruhr geschlachtet;
die Arktis mit ihren Eiskremreserven —
leergepickelt. Schöne Maschinen
fallen vom Himmel wie Schuppender kranken Kopfhaut. Überall Brände,
alle U-Boote sinken. Das Arbeitsamt online
(keine Chancen mehr für Fahrradfahrer).
Nietzsche auch tot, mehrfach. Von oben
betrachtet — das reine Wissenschaftschaos.Doch hosianna, ihr Börsianer!
In den Chat-Rooms der Hölle
pokern wir weiter.
Die Adressen der Unsterblichkeit leuchten.
Die fröhlichen Toten winken uns zu
——— Fritz J. Raddatz:
Glück ist ein Gedicht, das keiner kennt
in: Die Welt, Literarisches Leben, 24. Januar 2014:
Gesang von der Bitterkeit des Dunklen
Dieser Tage nun erhielt ich von Kurt Drawert, dem in meiner Wertschätzungsskala ganz oben rangierenden Prosa-Autor und Lyriker, ein kleines Wunderwerk als Geschenk; denn Geschenk muss ich diese Briefbeilage nennen: das (noch) Fragment eines langen Poems, so schön, so wundersam, so mitten ins Herz treffend – Glück! Ich war für eine Stunde ein glücklicher Mensch.
Wieso? Weil Drawert gelungen ist, in makelloser Sprache, in brennenden Bildern zu bannen, was unser aller Existenz ausmacht: das Elend der Suche nach Glück. Sein Poem ist ein großer Gesang von der Bitterkeit des Dunklen, in dem wir selbst in vermeintlich hellen Stunden versinken, die meist irrigen Momente der Zweisamkeit nicht ausgenommen.
Nicht nur, dass wir einander kaum mehr wahrnehmen – auch Welt bleibt Schimäre: „Hören wir das Husten einer Grille im Schnee? … und sie kommen alle und stehen an vor dem schlechten Geruch im Innersten der Fehlentwicklung.“ Die Fehlentwicklung sind wir. Der Mensch. „Jeder Gang aus dem Haus findet wie auf einem Löschpapier statt.“ Unser Lebensweg ist die große Wanderung zwischen Güte und Niedertracht.
Drawerts Poem ist Klage. Es ähnelt von Ferne der aggressiven Elegie des großen „Howl“-Gedichts von Allen Ginsberg – auch das ja in seiner abgrundtiefen Trauer ein atemloser Schrei, dem keine Hilfe ein Echo bietet; die écriture wiederum erinnernd an Francis Bacons verzerrte Mahn-Male.
Was ich immer sag: Sauerstoff ist zu kostbar, um ihn in ungebundener Rede zu verblasen.
Danke an Thomas Brook!
Bild: Loui Jover: The Book, 11. September 2013.
In erster Linie ein Catwalk (pure Ironie)
——— Lena Greiner (Text) und Thomas Meyer (Fotos):
Bibliothek mit stylischen Studenten: Hier kommen die Bibster,
in: Spiegel Online, 16. September 2013:
Zwirbelbart, Kniestrümpfe, enge Hose: Flo, 29, ist der Meister-Hipster. Er schreibt gerade seine Masterarbeit in Religions- und Kulturwissenschaften über, na so was, Hipster.
„Ich denke viel darüber nach, wie ich mich anziehe“, sagt er. „Der Charakter, den ich zurzeit darstellen will, ist eine Mischung aus dem Stil der zwanziger Jahre und einem Philosophiestudenten wie zu Hegels Zeiten Anfang des 19. Jahrhunderts.“
Natürlich sei, so Flo, sein ganzer Look „pure Ironie“. Das Grimm-Zentrum ist für ihn ein Ort zum Arbeiten, Leutetreffen, aber auch der Inspiration. „Die Bibliothek ist sehr hipsterlastig, sie ist in erster Linie ein Catwalk: schöne Menschen, die ihre schönen Fahrräder vor der Tür abstellen.“
Was wird der der nächste Trend der Hipster? „Reiterhosen und Nazi-Oberlippenbärte.“
Keilabsätze, kurzer Blazer, enge Hose: Juliane, 23, ist Berlinerin. Sie studiert Kunstgeschichte, Jüdische Geschichte und Religionswissenschaften an der FU.
Das Grimm-Zentrum ist nicht überfüllt von Hipstern, findet sie. „Komm mal in die Kunstbibliothek am Kulturforum„, sagt sie. „Da sehen Männer aus wie Frauen, und Frauen kleiden sich wie Männer.“
Die sollen in München anfangen. In der Bayerischen Staatsbibliothek wird in den Regalreihen mancher Forschungsgebiete fleißiger als im Müllerschen Volksbad gevögelt.
Kotzmaterial (Ein Hoch auf deine Bildung du vollidiot)
Update zu Gateway Drug und Filius patri antevertens obiit:
Die Beschäftigung mit der Literatur der deutschen Klassik äußert sich bei jedem in anderen Forschungsansätzen, oft auch in anderem Wortschatz. Man müsste dergleichen nicht berücksichtigen, gar noch weiter verbreiten — wenn der Fragesteller auf Yahoo! Clever namens Spacelab nicht soviel Mindestanstand einhielte, für seine Ansicht Gründe anzuführen. Wie er sich im weiteren Verlauf der Diskussion, die 2012 stattfand, verhielt, gehört streng genommen nicht zur Sache; hat doch er selbst als „Beste Antwort“ diejenige von Frau Mytilena ausgewählt, die anführt: „Die meisten genialen Menschen waren menschlich A****löcher.“
——— Spacelab et al.:
Gelöste Frage:
Kann mir mal jemand erklären, was an Goethe so gut gewesen sein soll?in: Yahoo! Clever, 2012, in unemendierter „Rechtschreibung“:
Was, bitte, soll denn an Goethe gut gewesen sein?
– Er hat inhaltlich von A-Z ausnahmslos ******* und Schwachsinn geschrieben
– Im öffentlichen Leben und mit seinen „Ämtern“ hat er nur Schaden angerichtet, dafür fähige Leute verdrängt und kaputt gemacht, mit seiner Profilneurose
– Seine Familie hat er durch Ignoranz, Unfähigkeit, Größenwahn, Eingebildetheit und Egomanie völlig zerstört. Seine Frau starb im Alkoholismus, sein hochbegabter, aber durch Goethe völlig kaputt gemachter Sohn starb auch im AlkoholismusGoethe hat nur *******, Dekadenz und Kaputtheit hinterlassen.
Was soll an dem gut gewesen sein, ganz real?
Das war ein furchtbarer, rücksichtsloser Mensch und ein gewissenloser, ignoranter Dummkopf, der zeitlebens gute Menschen kaputt gemacht hat.
Aber das kapiert offenbar auch heute noch niemand.
Weitere Details
Ach so, ja, habe ich noch vergessen:
Seine „wissenschaftlichen Studien“ waren auch samt und sonders völliger Schwachsinn. In seinem Größenwahn und seiner anmaßenden Verblendung und seiner Selbstüberschätzung, hielt er einfach für wahr, was er sich in seinem dummen, unwissenden Kopf so zusammenreimte. Und weil er sich für so toll hielt, glaubte er ganz selbstverständlich, das sei wahr, weil er sich für so toll hielt.
Außerdem verschloss er einfach immer die Augen vor jeder für ihn unangenehmen Realität und vor dem Leid und den Schaden, den er anderen antat. Er wollte einfach nichts davon wissen und das einfach wahr haben, also war es für ihn einfach nicht wahr.
Goethe war einfach nur ein begabtes aber völlig unfähiges *********. Er hat nichts zur Erkenntnis von Wahrheit o. ä. beigetragen, er war einfach ein Vollidiot.
Theoretisch ist Bildung frei zugänglich, daher kann man so fragen. Und so kann man antworten:
——— Avalon:
Sicherlich wird niemand daran gehindert, auch einen Goethe zu kritisieren. Auch ich mag nicht alle Werke von ihm.
Nur sollte man nicht nur die Orthographie und Interpunktion bei einem solchen Vorgehen einigermaßen beherrschen, sondern auch inhaltlich und im Ausdruck von dem Objekt seiner Kritik nicht gar so eklatant abweichen.
Goethe als Mensch und Goethe als Dichter stehen auf zwei verschiedenen Blättern und es wäre anzuraten, für beide Beispiele anzuführen, die auch nachweisbar sind und sich nicht nur in durch „***“ verborgene Fäkalausdrücke äußern.
Das kehrt sternchenatmend die Gosse noch doppelt häßlicher her…
——— Felix:
Dir das zu erklären, halte ich für zwecklos. Aber du mußt zugeben: ein Gutes hatte Goethe doch, nämlich er hat dir dazu verholfen, dich mal so richtig auszu.kotzen. Das ist doch ein herrliches Gefühl – oder?
Der Magen ist leer, der Druck ist weg, man ist zwar etwas geschwächt, sieht noch ein wenig beschi.ssen aus, aber es geht aufwärts – dank Goethe.
Wenn dir wieder mal danach ist, dann lies Goethe, der hilft :-)
——— Felipe:
wer sagt denn das Goethe als Mensch gut war? Bzw. kanntest du ihn persönlich um über ihn urteilen zu können?
Seine Werke sind genial und das ist unbestritten. Les dir Faust I und II einmal durch. Oder die Leiden des jungen Werther.
edit : hast recht. Bushidos Bestseller ist wahre Kunst und Goethe war ein Idiot. Ein Hoch auf deine Bildung du vollidiot
——— Rinalso:
Eine sachlichere Erörterung wäre sicher vorteilhaft …
Goethe wurde – so oder so – von seinen Zeitgenossen richtig beurteilt, denn die haben ihn ja zum Teil persönlich gekannt !
Wenn es der Frager nicht mit Goethe hält, dann wäre es doch interessiert, welche PERSONEN er GUT findet … Vielleicht genügen auch alle nicht …
——— Ingemar Martyrius:
Goethe war Gartenfreund.
Quelle(n):
G. Balzer : „Goethe als Gartenfreund“——— Limbo:
nur einer der sich nicht erkennen lassen will stellt so eine frage
Quelle(n):
du bist nicht besser als goehte——— Konrad:
Wie gefällt das Gedicht: „Willkommen und Abschied?“
Quelle(n):
Meine Schule——— ?:
mit sich selbst reden ist auf dauer ungesund, das bemerke ich jetzt.
*goethes faust in den himmel streck*
Eine Diskussion entsteht, wenn jemand auf eine Antwort antwortet. Wiederum theoretisch verhält sich der bildungsbeflissene Spacelab daher vorbildlich:
@ Felipe – Ich wollte eine Antwort auf meine Frage, und keine bekloppten Platitüden, die jeder Vollidiot kennt und von sich geben kann.
Und um die berechtigte Frage zu stellen, was an Goethe gut gewesen sein soll, und das auch zu beantworten, muss man ihn logischer Weise nicht selbst gekannt haben. Wenn das nötig wäre, dann wäre er ja schon, völlig zu Recht, vergessen.
@ Felipe – Ich wollte eine Antwort auf meine Frage, und keine bekloppten Platitüden, die jeder Vollidiot kennt und von sich geben kann.
Und um die berechtigte Frage zu stellen, was an Goethe gut gewesen sein soll, und das auch zu beantworten, muss man ihn logischer Weise nicht selbst gekannt haben. Wenn das nötig wäre, dann wäre er ja schon, völlig zu Recht, vergessen.
@ Felipe – Meinst du, ich kenne Faust und den Werther nicht? Das ist gequirlte *******, die niemandem hilft.
Es ist nicht nur Zeitverschwendung, sondern sogar schädlich, diesen Dreck zu lesen.
@ „Goethe war Gartenfreund“
Ach so, und Gartenfreunde sind tolle Menschen. „Der Mörder ist immer der Gärtner“ heißt es, und in diesem Satz steckt viel mehr Wahrheit, als die meisten Menschen glauben.
Ach ja, und wer an Goethes „geniale Lebensweisheiten“, d. h. das Sammelsurium seiner Zitate etc., glaubt, kann sich gleich erschießen.
Er hat viel geschrieben, das Einiges an Wahrheit enthält, leider aber nicht mehr als das. Und deshalb ist es schädlich, weil das, was er von sich gab, eben nur einen Wahrheitsgehalt hat, von ihm in der Gesamtheit aber völlig unzulänglich und falsch verstanden wurde. Und das ist nur schädlich, und daher wäre besser gewesen, er wäre Rechtsanwalt o. ä. geworden, als so einen Bockmist zu fabrizieren.
Wer „Goethes Weisheiten“ glaubt, sollte sich besser gleich erschießen. Das Ergebnis ist dasselbe, nur dauert die erste Möglichkeit zu diesem Ergebnis nicht so lang und ist auch nicht so qualvoll.
Goethe war ein ******** und ein Volltrottel. Ja gut, wem seine bekloppten „kunstvollen“ Schreibereien gefallen, de gustibus non est disputandum, aber in Bezug auf die Lebensrealität war er ein Völlarsch und Trottel, der nur Schaden
Ach ja, und zum „Werther“ noch: Der „Werther“ war ja zu Goethes Zeit der Jugendbestseller schlechthin, ein Megaerfolg. Und das führte dazu, dass sich, ganz nach Werthers Vorbild, unzählige junger Männer das Leben nahmen.
Super!
Das ist aber nur EIN Beispiel, das ich nur thematisiere, weil hier Antworter den „Werther“ erwähnte.
Super der Goethe! Toll!
Da kann man sich schon war darauf einbilden, auf solche Killer-Ergebnisse.
@ limbo – „Nur einer, der sich nicht erkennen lassen will, stellt so eine Frage.“
Erstens stimmt das nicht, dass ich mich nicht erkennen lassen will, zweitens verwendet hier jeder einen Nick.
Außerdem hatte ich nicht um einen unqualifizierten persönlichen Angriff gebeten, sondern um Antworten auf die Frage.
Auch wenn ich davon ausgehe, dass du von dem Thema sowieso keine Ahnung hast. Aber ich lege, der Unterhaltsamkeit wegen, mal deine Platte auf:
Dass jemand wie du, der noch nicht einmal eine Antwort auf die Frage geben kann und anstatt dessen sinnlos aggressiv und persönlich wird, Goethe gut findet, ist schon klar.
@ Felix – Deine Antwort wäre schon witzig, wenn sie witzig wäre. Aber erstens ist deine Antwort falsch, zweitens ultrapromitiv, drittens keine Antwort auf die Frage und viertens: Wenn du das schon als „Auskotzen“ bezeichnen musst: Goethe ist der Grund dafür, dass ich überhaupt etwas zum „Kotzen“ habe, wenn schon. Goethe lesen hilft nicht dagegen, sondern er liefert das Kotzmaterial. Das ist ja genau das Problem.
Oh Gott.
@ Felix: „Dir das zu erklären halte ich für zwecklos.“
So? Ich denke eher, dass du einfach von Tuten und Blasen keine Ahnung hast, aber hier dummdreist rumposten. Naja, ich finde ja auch, dass es keinen Zweck hat DIR die phyiskalischen Berechnungen zur Konstruktion von Apollo 5 zu erläutern … ich meine, ich KÖNNTE das natürlich, wenn ich nur wollte, aber es hat eben keinen Zweck DIR das zu erklären! Das ist der Grund, nicht etwa, weil ich keine Ahnung davon habe. NEIN!
@ Felix: Wenn sich hier jemand AUSGEKOTZT hat, dann warst das du, und zwar auf MEINE KOSTEN. Deshalb bist du jetzt geblockt.
@ rinalso – So ’ne aggressive und außérdem völlig substanzlose ******* kannst du für dich behalten.
@ Avalon – Halt einfach die Klappe!
Aber die Mytilena, die mag er: „Beste Antwort — Ausgewählt vom Fragesteller“:
Goethe hat der Nachwelt viel geniale Werke hinterlasssen.
Er war in seiner Zeit schon eine außergewöhnliche Persönlichkeit,
Auch unterstützte er oft Schiller, der unter permanenter Geldknappheit litt und fand sogar in sogar im Armengrab, weil er auf Reisen war, als er starb und ließ ihn anständig bestatten.Doch jedes Ding besitzt mindestens zwei Seiten.
Seine Frau, Christiane Vulpius, mit der er lange Jahre zusammenlebte und sie keinem seiner Gäste vorstellte, sondern sie als seine Haushälterin ansah, heiratete er erst, nachdem napoleonische Truppen in sein Haus eingedrungen waren und er sich in der letzten Ecke verkrochen hatte, während sie sich ihnen entgegenstellte und sie darüber aufklärte, in wessen Haus sie sich befanden.
Goethe kannten auch die Franzosen. Sie zogen sich zurück.Als ich das Goethehaus besuchte, war ich erschüttert über sein Testament. Er behauptete darin, dass es niemals mehr einen größeren Dichter als ihn geben würde.
Ich schätze ihn in menschlicher Hinsicht als Egozentriker und Narzissten ein.Doch seine Verdienste für die deutsche Literatur und die Weimarer Kulturlandschaft sind trotzdem ungeschmälert.
Die meisten genialen Menschen waren menschlich A****löcher.
Sie nahmen keine Rücksicht auf andere, schon gar nicht auf ihre Familie, sondern steuerten nur ihr Ziel an.
Auch der russische Flugzeugkonstrukteur Ziolkowski ließ seine Kinder hungern, um seinen Plänen nachzugehen.——— Bewertung des Fragenden: *****:
Die einzige qualifizierte Antwort, und überhaupt das einzige Posting, das nicht nur aus aggressiver Kenntnisfreiheit besteht, außerdem sehr informativ. Der Begriff „genial“ ist eine dümmliche Worthülse, die i. d. R. dann eingesetzt wird, wenn etwas zwar irgendwie begabt, aber trotzdem Müll ist.
Bilder: Miss Audrey Brooks: An Aud Perspective, ebenfalls alle 2012.
Bildung: Rudi Carrell: Am laufenden Band, 1978.
You Look Like a Shrub
… and I am a tree and beautiful flowers.
——— Joachim Ringelnatz: Der „Gezeichnete“, aus: Reisebriefe eines Artisten, 1927 (Schluss):
Die Fratze und der Bleistiftstrich
Verhöhnten und versöhnten sich
Und zogen darauf Hand in Hand
Ganz freundschaftlich ins weite Land.Denn beide sind — das ist der Witz —
Im Grunde kein Privatbesitz.
Musik & Text: die unglaublichen What about Carson, 2011,
Artwork: die bezaubernde Ulrike Pöschko im Jazzkeller, 5. Januar 2013;
Shrub: Leonhardt Thurneysser zum Thurn: Historia vnnd Beschreibung influentischer, elementischer vnd natürlicher Wirckungen, aller fremden vnnd heimischen Erdgewechssen, gedruckt zu Berlin bey Michael Hentzsken 1578.
Noch können sie tanzen
Unsere engagierte Leserin und liebe Nachbarin Christina Katharina Barbara Bockmühl war von Anfang vom hiesigen Beitrag Wenn Schnee bedeckt mein Haar einmal so angetan, dass sie ihn spontan in ihrem Kommentar weitergedichtet hat.
Ebenso spontan hat sie ihrem Sequel-Gedicht auf einen geradezu apokryphen Comic von 1982 sogar noch die nötigen Bilder gebastelt, um dem Medium Comic näher zu kommen. — Ist es nicht prächtig? Ist es nicht wunderwunderschön?
Herrschaften — auch schon wieder 1982? Wer damals Schnee auf seinen Häupten befürchtete, hat heute welchen. Jedenfalls wollen wir ihm das wünschen.
Und ist es doch ein Glück für zwei
die zusammen werden alt.
Das Foto aus vergangener Zeit
trägt Risse und Kratzer,
manchmal war es ganz schön kalt.
Doch – man kennt sich, sieht sich, liebt sich
Vergessene Krauselhaare (oder nicht ausgefallene) an sich.
Sie sind schön, sind sie auch alt
noch können sie tanzen,
wie das Laub im Wald.
Text & Bilder: Christina Katharina Barbara Bockmühl, Oktober 2012. Dankeschön!
Endlich handfeste Verse
In Deutschland sind ein Drittel aller verkauften Bücher Belletristik, mehr nicht. Von der verkauften Belletristik sind 1,2 Prozent Lyrik.
1992 war das nicht viel anders. Trotzdem trug Anton G. Leitner genug Geschäfts- und Irrsinn in sich, um von Weßling bei München aus eine Zeitschrift namens DAS GEDICHT zu gründen. Nach 20 Jahren mit einer Ausgabe pro stellt der Betriebswirtschaftler fest: Herr Leitner zahlt nicht drauf, er verdient damit Geld. Die jährliche Zeitschrift DAS GEDICHT macht Plus.
Das Schönste war ja in der Ausgabe 8 von 2000 Geile Gedichte — Vom Minnesang zum Cybersex mit erotischen Gedichten von Stellen, an denen man sie nicht erwartet, wie Buchhändler ganze Lieferungen an den Verlag retournierten und die Auflage wegen der entstandenen Medienaufmerksamkeit („Anton G-Punkt Leitner“) 10.000 Stück errreichte. Als Buße schoss Leitner 2001 eine Ausgabe Göttlicher Schein — Heilige Gedichte. Lyrik zwischen Himmel und Hölle hinterher, sogar mit einem apokryphen Gedicht von weiland Papst Johannes Paul II.
Am Dienstag, den 23. Oktober 2012 veranstaltet Herr Leitner mit dem Literaturhaus München im letzteren das Internationale Gipfeltreffen der Poesie mit 60 Lyrikern aus Deutschland, Luxemburg, Österreich und der Schweiz die Geschichte der deutschsprachigen Realpoesie. Ab 19 Uhr, Eintritt 12 Euro inklusive Freigetränk. Für die Aufzeichnung müssten wir bis Samstag, 12. Januar 2013 auf BR-alpha warten. Also sehen wir uns?
Bild: Matthias Politycki und Anton G. Leitner (Hgg.):
Endlich handfeste Verse! 20 Jahre DAS GEDICHT,
Weßling bei München 2012.
Gateway Drug
——— David McElory of Philosophy News: Facebook, May 10th, 2012:
Parents, remember that thinking for themselves is a gateway drug to get your kids hooked on hardcore thinking such as philosophy. Make sure they never even doubt what they’re told and they’ll live happier lives, saved from the burden of thinking or deciding what’s right and wrong. If you don’t talk to them about thinking to stop it now, who will?
Image: David McElroy, May 10th, 2012.