Archive for August 2022
Drumb schweig / leyd / meyd vnd vertrag / dein Vnglück keinem Menschen klag
Update zu Mein Leben im Konjunktiv: Herz ist Trumpf,
Eine aufbrechende Knospe des ältesten Baumes als eine einjährige Pflanze,
Adorno für Blogger und
Werkstattbericht: Da kann jeder gedenken, in was Schrecken und Forcht ich gesteckt:
AVff solche obgehörte Weheklag / erschien Fausto sein Geist Mephostophiles / tratte zu jhm / vnnd sprach: Dieweil du auß der heyligen Schrifft wol gewust hast / daß du GOtt allein anbetten / jhme dienen / vnnd keine andere Götter / weder zur Lincken noch zur Rechten / neben jhm haben sollest / dasselbig aber nicht gethan / Sondern deinen Gott versucht / von jme abgefallen / jn verleugnet / vnd dich hieher versprochen / mit Leib vnd Seel / so mustu diese deine Versprechung leysten / vnnd mercke meine Reimen:
Weistu was so schweig /
Ist dir wol so bleib.
Hastu was / so behalt /
Vnglück kompt bald.
Drumb schweig / leyd / meyd vnd vertrag /
Dein Vnglück keinem Menschen klag.
Es ist zu spat / an Gott verzag,
Dein Vnglück läufft herein all tag.Wie der böse Geist dem betrübten Fausto
mit seltzamen spöttischen Schertzreden vnd Sprichwörtern zusetzt, 1587.
Nein. Nochmal:
Du mußt verstehn!
Aus Eins mach’ Zehn […]Vers 2540 f., 1808.
Nein. Wenn schon, wieso nicht gleich:
So stempelten wir gleich die ganze Reihe,
Zehn, Dreyßig, Funfzig, Hundert sind parat.Vers 6047 f., 1832.
Das waren jetzt zehn Jahre DFWuH, vulgo Doctor Fausti Weheklag und Höllenfahrt.
Bei meinem Talent zum Feiern. Außerdem hab ich seinerzeit den Timer für den ersten Eintrag absichtlich auf Goethes Geburtstag, den 28. August, gestellt, nicht den 26., aber zwangsläufig waren unter den zehn Jahren zwei Schaltjahre dazwischen. Warum dann der 28. August 2012 ein Dienstag war und kein Freitag, auf den ich seit Aberjahren meine Einträge stelle, kann ja mal jemand ausrechnen, der sich mit Alltagsmathematik auskennt.
Die Überschrift für den Weblog ist okay, ein Derivat aus dem Faust – nicht dem Goethe-Spin-off, sondern dem Volksbuch, in dem gleich zwei Kapitelüberschriften mit Doctor Fausti Weheklag anfangen. Allein mit der URL weheklag.wordpress.com war ich von dem Moment an unglücklich, in dem ich in meinem steten unternehmungslustigen Übermut auf OK geklickt hab. Insofern ist sie ungemein passend, widerspricht aber in Besucher abschreckender Weise der Lebensfreude, die ich nicht müde werde, den schwärzesten Höllenfahrten abzuringen. Die abgeschreckten Besucher hätten mir aber genausoviel eingetragen wie die nicht abzuschreckenden, nämlich null Komma nix und wieder nix, also passt schon.
Bedeutsam war in den zehn Jahren vor allem, was nicht geschehen ist, was ich nicht erreicht hab. Nicht dass ich mir anno 2012 ein besonderes Ziel gesetzt hätte. Die Zeit des Gemeinschaftsprojekts Moby-Dick™ war einfach um, weil die Gemeinschaft nicht mehr so gezogen hat. Die Unternehmung hätte nämlich ein Ziel gehabt; war leider nicht alleine zu erreichen. Auch sonst hat sich das wenigste von dem ereignet, was ich auf den Weg gebracht hab:
So ist mir die im Wunderblatt 7: Die Vegetation ist der negative Lebensprozeß. Vom ursprünglichsten Gegensatz zwischen Pflanze und Tier — und Emily und Emily Emily mit einem großmächtigen Bücherpaket in die kanadische Tundra durchgegangen, darunter eine Schedelsche Weltchronik aus dem Taschen-Verlag; hat mich anlässlich Weihnachten 2014 einen Fuchziger Porto gekostet — odd parcel voller schwergewichtiger Dünndruckliteratur, Lebensmittel und Schnäpse nach Ottawa, da kommt was zusammen) —, von meinem schönen Lessing-Faksimile aus dem Wallstein-Verlag ganz zu schweigen.
Überhaupt zeichnet sich ab, dass meine Anfragen keiner Antwort wert sind, sooft ich mich schon mal unter Schmerzen dazu entschließe, das Wort an Menschenwesen außerhalb meiner eigenen Wohnung zu richten. In Von dem Holz des Lebens essen und der bittern Schmach vergessen (im Leben ist da kein Verlag drin!) war mir anhand eines barocken Figurengedichts aufgefallen, dass in dem angegebenen Münchner Verlagsgebäude im Leben kein Verlag drin sein kann. Nach meiner doch ungemein freundlichen und fachkompetenten Bitte um Auskunft bin ich in dieser Verblüffung steckengeblieben.
Nicht anders bei meinem Kontaktversuch in die Heimat meiner eigenen Kinderzeit: Vnd ist auff eim vnfruchtpern vnnd sandigen erdpoden erpawen: In dem historischen Herrenhaus gegenüber dem ehemaligen Stammgasthof meiner Eltern wurde nach einigen nicht zu widerlegenden Hinweisen zu großen Teilen – die schon wieder – die Schedelsche Weltchronik konzipiert und niedergeschrieben, nicht zuletzt erkennbar am gültigen Straßennamen. Heute residiert darin eine Psychotherapeutin, der offenbar die Anfrage zu durchgeschmort war, ob sotane Vergangenheit heute noch was gilt (dabei hab ich nicht mal gefragt, ob mit einer Schedel-Erlebniswelt nach dem Vorbild von Disneyland nicht mehr Erkenntnis-, Geld- und Lustgewinn rumkäme als mit einer Nothilfe für die ohnehin kaum einzudämmenden Landnürnberger Bekloppten).
Die Schweigsamkeit gegenüber meiner Person seitens der Instanzen, die fürs Reden mit Menschen bezahlt werden, ist dabei nicht auf die bekannten fränkischen Züge beschränkt. Kanada hat immerhin noch eine Antwort gegeben, wenn man es was gefragt hat; die Stellen, die ihren Beruf in der Pflege des Preußentums sehen, sind auch nicht besser als die pegnesischen Bauernschädel. Um mich selbst an die Verwaltung des Schloss Plaue im Brandenburgischen aus Gräflein Du bist verrathen zu zitieren:
Nicht ausgerechnet am 1. April des Fontanejahres hätte ich an die touristische Verwaltung des Schloss Plaue zu Brandenburg an der Havel mailen sollen:
[…]
- Können Sie mir weitere Strophen zu Wer geht so spät zu Hofe nennen — oder Fundstellen dazu?
- Wird das Lied noch gesungen, weil es eine bekannte, wenigstens nachweisbar überlieferte Melodie hat?
- Und existieren noch Darstellungen von den Leinwandtableaus in Schloss Plaue?
- Genießen sie eine gewisse ikonische Funktion, quasi als stille Berühmtheit von regionalem Erkennungswert?
Nicht ausgerechnet am 1. April, weil ich auf irgendeine Antwort, wenigstens ein den Eingang bestätigendes „Geh Ludwig Thoma lesen, du Baziwessi!“ bis heute warte, dabei wird mein Spam täglich handverlesen.
So wollen die Touristen in ihre Gemäuer locken: indem sie einen drei Jahre and still counting auf Antwort warten lassen. Zur Veröffentlichung von 150 Jahre sind alt genug war ich selber noch nicht mal soweit, Frank Zander daraufhin anzusprechen, warum, woher, wozu und warum in dieser Form er für seinen Captain Starlight das Hayndsche Lerchenquartett verwendet hat. Inzwischen ist er seiner seits nicht soweit … aber lassen wir das.
Es gab ja auch schöne Momente. Solche, auf die ich mir mit unterschiedlichen Ausreden großmächtig was einbilde, stehen in der Kategorie Olymp. Als auf ganze Sammlungen bin ich stolz auf jenes Weihnachts-Special, in dem ich Kunst über Katzen sinnhaft aufbereiten konnte, dann natürlich auf das mit Kunst von Katzen und das mit Kunst über tote Katzen; an Kunst von toten Katzen arbeite ich, wenngleich nicht sehr fieberhaft.
Ganz selten sind mir Arbeiten gelungen, die als externe Beleg-Links für Wikipedia-Artikel eine gewissermaßen sinnvolle Verwendung gefunden haben. And Rilke says to this guy ist seit jahren der volle Ankommer, weil es seit 2013 als Primärquelle für die Rilkeschen Briefe an einen jungen Dichter herhält. Sofortige Löschungen mangels Relevanz sehen anders aus, vielmehr hat sich der Primärautor Christian Meurer persönlich für das Fortleben seines TItanic-Artikels bedankt, ja sogar eine thematische Fortsetzung angeregt, die heute Wenn es Ihnen versagt würde to translate heißt und läuft wie ein Hit von Lady Gaga, weil es nämlich – o doch, das ist als unmittelbare Fortsetzung von Rilke-Briefen zwingend möglich – um Lady Gagas Tätowierungen geht. Und der Titanic etwas recht machen, das muss man auch erst mal schaffen.
Gern genommen wird mir auch Da ist alle Herrlichkeit der Erde und des Himmels, die Leiden und die Lust der Liebe (O Ihr Kurzsichtigen, die Ihr das Meer in Bechern erschöpfen wollt, Ihr glaubt die Kunst zu ergründen und ergründet nur Eure Engherzigkeit): Die Bilder in Franz Sternbalds Wanderungen – wie der Name sagt, eine Illustration zum Franz Sternbald, der doch öfter mal Schul- oder Unistoff scheint.
So wie Jean Paul: als regulärer Schulstoff zu dickleibig (die Bücher, mein ich in diesem Fall) und zu weggedriftet (auch die Bücher), hat aber Fans, vermutlich gerade an der PhilFak. Und dass Die unsichtbare Loge und der Hesperus eigentlich das gleiche Buch sind, bloß in jeweils anderem Wortlaut, wollte ich auch schon länger nachweisen. Was meine Flucht aus der gebornen Ruine mit Primär- und Sekundärmaterial als Beleg für gleich zwei Wikipedia-Artikel unentbehrlich macht. Seit 2018 jedenfalls, Abruf 25. August 2022.
Himmelangst vor meiner eigenen Courage wird mir heute noch vor meinem Verriss von Novalis: Pflanzenähnlichkeit der Weiber: Novalis und die Frau als Königin, Mineral und Nahrungsmittel, in dem ich ihn zum Canceln vorgeschlagen hab, bevor es in wurde, aber es scheint niemanden zu scheren, siehe oben. Als meine selbstauferlegte Buße und nicht weniger verdienstvoll von mir selber betrachte ich meine Grundsatzarbeit über die Blaue Blume der Romantik: Wer hätte da sich um Blumen bekümmert?. Am traurigsten ist ja immer, wenn man sein Bestes gibt und es ist immer noch Mist, aber das ist soweit ganz ordentlich geworden, soweit ich das beurteilen darf.
Insgesamt erinnert das stille Weiterbasteln an einem Nischenweblog literarischer Ausrichtung unter Ausschluss der Öffentlichkeit ans Leben selbst: kein ersichtlicher Grund weiterzumachen, aber einfach damit aufhören wäre jetzt auch blöd. Man bewahrt sich die Illusion, ein Wissen über Dinge von etwaigem Belang innezuhaben, und vermeidet soziale Kontakte, weil man sowieso praktisch alle seine Fans persönlich kennt. Deo volente wird das so weitergehen, bis WordPress anfängt, Geld zu kosten, oder meine Demenz deutlich genug einsetzt, dass sie mich selber stört, je nachdem, was zuerst kommt.
Inzwischen meinen tiefst empfundenen Dank an alle, die mitgeholfen haben, und an alle, die sich das antun. Ihr wisst, wer ihr seid.
Genauer nach innen gehorcht verspürte ich heute durchaus einen gewissen Impuls zum Feiern – hab aber Nachtschicht, ohne die DFWuH nicht das wäre, was es ist – was man je nach Tagesneigung begrüßen oder bedauern mag. Also passt schon.
Auf dass es uns noch lange gut geh.
Bilder: Fritz Roeber: Walpurgisnachtsszene aus „Faust“, um 1910,
Öl auf Leinwand, 186 x 206 cm; Museum Abtei Liesborn des Kreises Warendorf;
August von Kreling: Faust, von Mephisto eingeschläfert, 1874, in: Bilder zu Goethes Faust, 1912,
via The Laughing Heresiarch: The Dream of Faust, 16. November 2015.
Soundtrack: Harmony Trowbridge: Bookish, aus: Sacrilege, 2020: :
Kritiken der reinen praktischen Urteilskraft
Update zu Kotzmaterial (Ein Hoch auf deine Bildung du vollidiot)
und Homerische Dark Fantasy:
Solche Leser wünschen wir uns. Nicht „das Feuilleton“ oder das, was derzeit noch davon übrig ist (nein, ich bin ja leider keins), der Buchhandel je nach Tagesverfassung – aber wäre ich ein Schreiber, dann schon.
Was für Leser? Na, begeisterte, was sonst? – Rezensionen chronologisch:
——— Michael Saidak:
Reality’s dark dream…
zu Ludwig Tieck: Märchen aus dem „Phantasus“, Reclams Universal-Bibliothek 2003,
8. Juli 2005:
Stupendous masterpieces!!!! Phantasus, wow!!! Ludwig Tieck is a genius of highest order – this stuff is supreme German gothic dark romantic. Mind-boggling & spirit-crushing hardcore stories that delve darkly into the unconscious; paranoia, retribution, the mind-destroying power of nature, dreams, insanity… Insane depth hidden in the form of „fairy-tales“ (what a stupid English word)!!!
Highly unique!! Exquisite! Gorgeous dark words of magic and vision!!! Pure genius!!! A hundred million stars.
Unfortunately I don’t speak German; Tieck’s works are so hard to find in English – I had to search through obscure translations of out-of-print books in libraries to find some of his tales. What atrocity, what shame, what crime!!!! English-speaking Germans, translate all Tieck’s works to English (and all other languages), his tales are world heritage!!!
See also Heinrich von Kleist & E.T.A. Hoffmann.
Wow… I wonder what happened in Germany at that time?? I mean, such splendid dazzling brilliance!!!! What were these guys smoking??? How could they write such lucid & vivid narrative prose, and with such merciless & brutal intensity, reminiscent of LSD-induced revelations??? Wow!!
——— callisto (VINE-PRODUKTTESTER):
Unterhaltsame, antike Göttergeschichten
zu Anton Weiher, Hrsg.: Homerische Hymnen, Sammlung Tusculum 2014,
15. Juli 2014:
Homerische Hymnen, das klingt schrecklich langweilig. Man sollte sich aber nicht vom Titel abschrecken lassen, denn was die alten Griechen unter Hymnen verstanden ist zum Großteil deutlich spannender und unterhaltsamer als das, was das Christentum darunter versteht. Natürlich gibt es auch die langweilig, schwafeligen Lobhuddeleien an ein paar Götter, die den christlichen Hymnen in nichts nachstehen, die großen, langen Hymnen sind aber spannende Geschichten, die der Odyssee in nichts nachstehen.
Das Buch enthält 33 Hymnen, davon sind die langen wirklich spannende Geschichten:
1. Demeter – Hier wird die Geschichte von Persephone und Demeter erzählt. Persephone fällt beim Spielen in ein Loch im Boden und landet im Totenreich. Demeter ist am Boden zerstört, ihre Tochter verloren zu habe. Sie sucht sich daher einen Job als Kindermädchen zur Ablenkung. Die Mutter des Knaben, den Demeter umsorgt ist aber nicht sonderlich begeistert von Demeters Erziehungsmethoden, denn Demeter wollte aus dem kleinen mit Ambrosia und stärkenden Bädern in glühender Asche einen Unsterblichen machen. Das stieß bei der Mutter des Kindes irgendwie auf Unverständnis. Demeter kündigt und verlangt als Abfindung einen Tempel.
2. Apollon – Hier hat man einfach zwei Hymnen aneinandergeklebt. Eine handelt von Apollons Geburt. Keiner wollte aber, dass seine Mutter dieses gefährliche Kind auf ihrem Grund und Boden bekommt, bis sich dann doch eine Insel erbarmt ihnen Geburtsasyl zu geben. Anschließend muss sich jung Apollo einen Platz für seine Wohnung/Tempel suchen und dazu das passende Personal entführen.
3. Hermes – Meine Lieblingshymne. Klein Hermes hat es schon gleich nach seiner Geburt faustdick hinter den Ohren. Kaum einen Tag alt, büchst er aus und klaut Apollo die Rinder (die er rückwärts gehen lässt, damit nicht auffällt, wohin er sie gebracht hat). Apollo ist aber nicht doof, er weiß, dass Hermes mehr als ein neugeborenes Kind ist. Der Schlagabtausch zwischen den beiden ist sehr witzig. Hermes miemt das Baby, wickelt sich in die Windel und meint, dass er wohl kaum wie ein kräftiger Vieh Dieb aussieht und Apollo tobt rum, schnappt ihn und bringt ihn vor Zeus, der an der Angelegenheit auch seinen Spaß hat. Danach werden die beiden beste Freunde.
4. Aphrodite – Zeus hat die Nase voll, dass Aphrodite die Götter andauernd mit Menschen verkuppelt und lässt sie ihre eigene Medizin schmecken. Sie verliebt sich in Anchises und gebiert ihm Aeneas.
5. Dionysos – Kurz und unterhaltsam. Ein paar Seeräuber entführen Dionysos und wollen ihn als Sklaven verkaufen. Er lässt Rebstöcke aus den Planken sprießen und ersäuft das Schiff in Wein, während er sich in einen Löwen verwandelt.
6. Pan – Die Geschichte um die Geburt Pans, Hermes Sohn. Nett aber nicht sonderlich ereignisreich.
Diese 6 Hymnen machen einen Großteil des Büchleins aus, die 29 langweiligen Kurzhymnen, die selbst im Anhang teils als „mattes, sprachlich ungeschicktes Gebilde“ bezeichnet werden, kann man einfach ignorieren. Haufenweise Geschwafel, wie toll dieser oder jener Gott ist, da stehen sie den christlichen Hymnen in nichts nach.
Das Buch hat noch einen kurzen Anhang, der Auf den griechischen Text und einige Worte darin eingeht, das ist aber eher etwas für eingefleischte Altgriechischfans.
Genau wie bei der Odyssee schreibt man die Hymnen einfach mal Homer zu, denn er ist ein Garant für gute Unterhaltung, aber es ist schon klar, dass hier verschiedene Autoren aus unterschiedlichen Zeiten und teils unterschiedlichen Erzähltraditionen zusammengefasst werden. Einige der langen Hymnen sind möglicherweise wirklich aus Homers Feder (Homer im weiteren Sinne als Autorenkollektiv), andere mit Sicherheit nicht.
Fazit: Insgesamt sind besonders die langen Hymnen sehr unterhaltsame, antike Göttergeschichten, die man heute auch gut lesen kann.
——— Mr. Who?:
Sehr interessant
zu Immanuel Kant: Die drei Kritiken – Kritik der reinen Vernunft. Kritik der praktischen Vernunft. Kritik der Urteilskraft, Anaconda 2015,
20. Januar 2019:
Kant seine Exemplare sind meistens immer sehr interessant zu lesen.
Kann auch dieses Exemplar nur weiterempfehlen.
Es liest sich zum großenteils sehr gut und verständlich.
Klare Empfehlung
——— Anala Mentos:
zu Georg Wilhelm Friedrich Hegel,
10. November 2020:
Yo alle hegel memes bei seite finde man kann ihn sehr wohl gut verstehen wenn man aufmerksam liest. Er drückt sich halt sehr autistisch präzise aus und seine sätze sind sehr verschlungen, aber eben der Vollständigkeit wegen.
10/10 würde lesen
So, und wer jetzt überhaupt schon mal einen Pieps von den Homerischen Hymnen gehört hat, einen von Kant versteht oder einen von Hegel – nein, nicht über Hegel – gelesen hat oder Ludwig Tieck kontrastiv zu E.T.A. Hoffmann setzen kann, darf anfangen zu lästern.
Bilder: Mike Disko Photography: Miranda Mae von und für Greencup Books,
Birmingham/Alabama (Geschäft erloschen), 2009.
Beispiel-Track: Leslie Caron in Ein Amerikaner in Paris, 1951:
Soundtrack: Feelsaitig: Napoleons Frühstücksei, aus: Des hältzt ja net aus!, 1987,
live bei Songs an einem Sommerabend vor Kloster Banz, 1993:
Die Seligkeit, wo ich zusammenbrechen darf
Update zu Was übrig blieb von grünem leben,
Ach Kind, wenn du ahntest, wie Kunitzburger Eierkuchen schmeckt!,
Und wenn’s im Rücken mal weh tut, wird jede Bewegung zur Qual
und Morgenstern über Greifswald (und keiner schaut hin):
Das Reclambuch sah so überhaupt nicht aus wie ein Reclamheft: schwarz statt gelb, sogar mit Goldprägungen, und weil man das 1904 so gemacht hat, alles in Fraktur. Eigentlich hätte ich es photographieren sollen, aber bis mir das eingefallen ist, hatte ich es schon zum Kuckuck gehauen, nein: in gute Hände weitergereicht.
Das Antiquariat, in dem es zuletzt gewohnt hat, ist dermaßen aufgelöst, dass es seine schmuckschwarzen goldgeprägten Reclambücher und sonstiges angemodertes Altpapier ohne Ladenaufsicht zum Räubern freigegeben hat, und ich weiß nicht, was trauriger war: dass nicht die Bücherfreunde mit leuchtenden Augen kamen, sondern ein paar abgestellte Packer in Camouflage-Kluft mit Rucksäcken – oder dass die abwesenden Antiquare ihre Ladentür tagelang auffordernd geöffnet halten mussten, bis endlich ein nennenswerter Schwund einsetzte.
Zur Verbreitung besagten Reclambuchs berichtet Robert Wohlleben für das höchst schätzbare fulgura frango: Das Regiment Sassenbach (1897 bis 1903). Lyrik aus der literarischen Werkstatt um Arno Holz:
Zu ihrer Zeit sind die Gedichte des „Regiments Sassenbach“ durchaus vom literarischen Publikum wahrgenommen worden. Eine Reihe von Gedichten hat zum Beispiel Hans Benzmann in seine recht verbreitete Anthologie „Moderne Deutsche Lyrik“ aufgenommen; sie erschien bei Reclam, vermutlich 1904.
Aus dem schönen Stück zurückbehalten habe ich eins von Reinhard Piper, 1879 bis 1953, damals Buchhandelsgehilfe, später Verleger unter dem Pseudonym Ludwig Reinhard:
——— Reinhard Piper:
Aus „Meine Jugend“
aus: Meine Jugend I, Johann Sassenbach, Berlin 1899,
cit. nach Hans Benzmann, Hrsg.: Moderne Deutsche Lyrik, Philipp Reclam jun., Leipzig 1904, Seite 419:
Die Lampe will mir ausgehn.
Todmüde ziehe ich meine Taschenuhr:
Nach Mitternacht.
Plötzlich sehe ich den Sekundenzeiger rennen.
Entsetzen packt mich.
Halt! Halt!
Er tickert merin ganzes Leben herunter!
Unaufhaltsam verläuft meine Zeit ins Nichts.*
Auf der glühenden Landstraße, die nach dem Himmel führt,
schleppe ich mich vorwärts.
Ich sehe kein Ende.
Schmächtige Pappeln stehen am Weg.
Ihre vertrockneten Blätter
beben.
Mit einem dünnen Schatten um den andern
komme ich der Seligkeit näher,
wo ich zusammenbrechen darf!
Zur Einordnung dieses Denkmals aus Im- wie Expressionismus und Postmoderne lernen wir weiter bei fulgura frango a. a. O.:
1898 und 1899 erschienen im Verlag von Johann Sassenbach, Berlin, unter anderem sieben Hefte mit Gedichten: „Neues Leben“ von Georg Stolzenberg in zwei Heften (1903 folgte ein drittes), „Farben“ von Robert Reß, „Meine Jugend I“ vom späteren Verleger Reinhard Piper unter dem Pseudonym Ludwig Reinhard, „Befreite Flügel“ von Rolf Wolfgang Martens, „Phantasus“, erstes und zweites Heft, von Arno Holz. Alle Gedichte darin sind ohne Reim und ohne festes Versmaß, ihre Zeilen sind auf Mittelachse angeordnet.
[…] Ab 1897 kam um Arno Holz eine Gruppe schreibender Freunde zusammen. Der Gesangslehrer Robert Reß (1871 bis 1935) sowie der Klavierlehrer und Komponist Georg Stolzenberg (1857 bis 1941) gehörten als Kern dazu. Ferner Rolf Wolfgang Martens (1868 bis 1928), den Reinhard Piper in seinen Erinnerungen einen „Beinahe-Millionär“ nannte. Der junge Buchhandelsgehilfe und spätere Verleger Reinhard Piper (1879 bis 1953) wurde hinzugezogen. Auch der Dichter Paul Ernst (1866–1933) gehörte zeitweise dazu.
Die Gruppe traf sich regelmäßig in der Dachkammer von Arno Holz. Sie war auf die Prinzipien der Holzschen Lyrikkonzeption eingeschworen. Für Arno Holz war sie seine „Schule“. Reinhard Piper nannte die Gruppe umgangssprachlich „Corona“.
Bilder: via Robert Wohlleben für fulgura frango: Das Regiment Sassenbach (1897 bis 1903). Lyrik aus der literarischen Werkstatt um Arno Holz:
- Innenplakat von W. Jordan via Zur Topologie der Motive beim Regiment Sassenbach;
- Gruppenbild um 1900:
Stehend v.l.n.r.: Oskar Jerschke, Robert Reß, Reinhard Piper.
Sitzend rechts: Arno Holz; daneben Emy Reß.
Soundtrack: Lael Neale: Acquainted with Night, aus: Acquainted with Night, 2021.
Fall sich jemand wundert: Das auf dem ganzen Album allfällige Omnichord kennt unsereins noch aus Turaluraluralu aus der Bye Bye 1983 von Trio:
Kirschwasser
Update zu Ein Mann zwischen den Altern,
Denn „sieben, sieben“, flüstert es stets, und „sieben Wochen“ ihm in das Ohr
und Wo bleibt der Tröster?:
Eins der Bonmots, an die man sich gern vom arg vermissten Harry Rowohlt erinnert, streute er gern nach der ersten Flasche Whiskey ein, die er in seinen „Schausaufen mit Betonung“, die als Autorenlesungen angekündigt waren, verbrauchte: „Wir sind ja hier nicht bei Sarah Kirsch.“
Dergleichen Erlebnisse prägen. Sarah Kirsch hab ich daraufhin nie angefasst. Dann geriet ich in einer schlaflosen Radionacht auf einem unbekannt bleibenden Sender in eine Autorenlesung, die von einer ausgesprochen einnehmenden Frauenstimme bestritten wurde. Da las eine versierte Wortwerkerin aus ihren Gedichten und moderierte von einem zum anderen auf einladend muntere Weise, die jederzeit die nötige Selbstironie beibehielt; das Live-Publikum lachte gelegentlich nicht gerade schallend, aber stillvergnügt und von der Vorstellung ordentlich unterhalten. Man wäre gern dabei gewesen. Wie Sie erraten, war es dann laut Abmoderation Sarah Kirsch in der inhabergeführten Buchhandlung eines deutschen Mittelzentrums, wo eben Autorenlesungen so stattfinden.
Harry Rowohlt kriegt natürlich die Stadthallen und entschieden lauteres Gelächter, aber hey, von dem werden wir’s schon noch ein paarmal haben. Es gibt eine Zeit für Whiskey und eine Zeit für preisbewusstes Mineralwasser, auf das ich Frau Kirsch einschätze. Seit ich sie nächtens im Radio lesen gehört hab, wünsche ich mir von ihr den Seitenhieb „Wir sind ja hier nicht bei Harry Rowohlt“, und er würde nicht nach beleidigter Leberwurst klingen, sondern nach verschmitzter Anspielung für lesungsbewanderte Studienräte. Warum sollen die nicht ihre nerdige Gaudi haben?
Heute ist Harry Rowohlt so tot wie Sarah Kirsch, was um beide jammerschade ist. Aber von denen reden wir ja gar nicht, sondern von der Droste, die bei uns ja auch nicht oft genug vorkommen kann. Die immer noch weithin unterschätzte, weil auf ein paar ungeliebte Schullektüren reduzierte Freifrau wird von Frau Kirsch als direktes künstlerisches Vorbild genannt, von ihr stammt eine liebevoll kuratierte, gar nicht so schmale (bei KiWi 560 Seiten) Werkauswahl, an sie selbst ging 1997 der Annette-von-Droste-Hülshoff-Preis des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe.
Nun ist uns Insidern längst aufgefallen, dass die Droste sich in ihrer Lyrik gern in siebenzeiligen Strophen äußert, was so weit geht, dass sie ein ausgewachsenes Versepos in dieser Bauart konzipiert, angefangen, durchgezogen und abgeschlossen und dann nicht einmal veröffentlicht hat.
Sarah Kirschs früheste Hommage 1973 an das „Geschenk des Himmels“ der Drostin ist vielleicht, vielleicht auch nicht, absichtsvoll siebenzeilig gebaut. Anspielungen, die nicht gleich jeder Nächstbeste auf Anhieb verstehen muss, hätten Frau Kirsch also gelegen. „Das Wasser reichen“ und dann „Schnäpse in unsre Kehlen gießen“ – Harry Rowohlt hätte begeistert sein können. Wir sind halt hier nicht bei der Droste.
——— Sarah Kirsch:
Der Droste würde ich gern Wasser reichen
1973, aus: Zaubersprüche, 1974, Seite 42
Der Droste würde ich gern Wasser reichen
In alte Spiegel mit ihr sehen, Vögel
nennen, wir richten unsre Brillen
Auf Felder und Holunderbüsche, gehen
Glucksend übers Moor, der Kiebitz balzt
Ach, würd ich sagen, Ihr Lewin –
Schnaubt nicht schon ein Pferd?
Die Locke etwas leichter – und wir laufen
Den Kiesweg, ich die Spätgeborne
Hätte mit Skandalen aufgewartet – am Spinett
Das kostbar in der Halle steht
Spielen wir vierhändig Reiterlieder oder
Das Verbotne von Villon
Der Mond geht auf – wir sind allein
Der Gärtner zeigt uns Angelwerfen
Bis Lewin in seiner Kutsche ankommt
Schenkt uns Zeitungsfahnen, Schnäpse
Gießen wir in unsre Kehlen, lesen
Beide lieben wir den Kühnen, seine Augen
Sind wir grüne Schattenteiche, wir verstehen
uns jetzt gründlich auf das Handwerk Fischen
Bilder: Cover Sarah Kirsch, Hrsg.: Annette von Droste-Hülshoff. Werke.
Ausgewählt von Sarah Kirsch, KiWi 1998, via Amazon.de;
Birgitt Elisabeth Morrien für Coaching Blogger: Mit Skandalen aufzuwarten, 14. Juli 2021.
Soundtrack: Stick and Poke: Poison, aus: Lost Kids, 2014: