Archive for Februar 2017
Ich will mich wie mein Schwanz erheben
Mit seiner Ode à Priape von 1710 hatte Alexis Piron kein Glück. Noch 1718, als er das zugegeben reichlich ferkelige Gedicht als Jugendsünde führen konnte, wurde er wegen seiner Obszönitäten als Anwalt in Besançon des Amtes enthoben. Selbst 1753 — da zählte er 64 Jahre — schritt König Ludiwg XV. persönlich auf Anraten nachhaltig peinlich berührter Kleriker gegen Pirons wiederholte Kandidatur für die Académie française ein. 160 Verse, die ein Leben ruinieren konnten. Technisch gar nicht so schlecht gestrickte übrigens.
Priapus, den muss man heute erklären. Den antiken Griechen diente er noch als Gott der Fruchtbarkeit (und der Knabenliebe, heute: Päderasmus), den meisten Späteren eher als Lizenz zum Herumschweinigeln, weil er als unterscheidendes Merkmal mit einem — jedes anderes Wort wäre unangemessen verhüllend — enormen Pimmel in dauerhafter Einsatzbereitschaft dargestellt wird.
Pirons schon gar nicht mehr anakreontische Dichtung, viel eher offene Sauerei erschien legal erst in den Poésies diverses d’Alexis Piron, ou Recueil de différentes pieces de cet Auteur, pour servir de suite à toutes les Editions desquelles on a supprimé les ouvrages libres de ce Poëte bei William Jackson, London 1787, ab Seite 59. Breiter bekannt wurde sie durch die Poésies badines et facétieuses, 1800, Seite 9 bis 14.
Von dort konnte Johann Heinrich Voß sie kennen — ja, genau: der Voß (geboren 20. Februar 1751), der 1781 die Odyssee und 1793 die Ilias genial genug übersetzt hat, dass die Fassungen erst dem jungen Herrn Werther, später seinen Nachahmern als Bestandteil der Werther-Tracht und heute noch mir selbst als „Taschen-Homer“ dienen konnten. Und von dort konnte er sie nachdichten, nach den Fingerübungen anhand Homers 15693 + 12110 = 27803 sperrigen Hexametern vermutlich das Werk eines Sonntagnachmittags.
Die Strophen bestehen bei Voß wie bei Piron aus je zehn Versen in einem Kreuz- und einem Schweifreim: sehr regelmäßig mit einer vorhersehbar wiederkehrenden Abwechslung — also der sexuellen Praxis, in der man sich ja gern auf einen gewissen nachvollziehbaren Rhythmus einigen möchte, in jeder Weise entsprechend.
Die empfohlene Fachliteratur ist der leider etwas verderbte Originaltext, Voß‘ Nachdichtung und eine aufschlussreiche Prosa-Übertragung in paralleler Übersicht mit Anmerkungen in Schwulencity.
Voß hat gekürzt. Wer gut genug Französisch kann (pubertär-priapische Kalauer bitte in den Kommentar), kann sich nach über zwei Jahrhunderten ja gern über den Rest hermachen.
——— Alexis Piron:
Ode à Priape1710,:
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——— Johann Heinrich Voß:
An Priapanonymer Druck um 1800, in: Friedrich Leopold Stolberg: München: Verlag der Nymphenburger Drucke, Band X, ca. 1924:
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Priapskult: Agostino Carracci: Culte de Priape, Radierung ca. 1580;
vegetale Phallussymbole: Paula via Mistress Eva’s Erotica & Art, 9. August 2016;
Art of Barefoot, 13. August 2016;
Eylül Aslan, 8. April 2013;
Ari Seg, 12. Dezember 2012.
Soundtrack ist die putzigste Ferkelei, die es je auf Bayern 1 geschafft hat:
Bloodhound Gang: The Bad Touch aus: Hooray for Boobies, 1999. Dem aufmerksamen Betrachter entgeht nicht die Video-Location Paris.
Bonus Track für den schwulen Touch: Right Said Fred: You’re My Mate, aus: Fredhead, 2000:
Vnd ist auff eim vnfruchtpern vnnd sandigen erdpoden erpawen
Update zu Damit du siehst, wie leicht sich’s leben läßt:
Wer im Landkreis Nürnberger Land oder sonst im Mittelfränkischen aufgewachsen ist, kommt spätestens in der Grundschule nicht um Hans Sachs, Veit Stoß, Peter Henlein, Martin Behaim, Willibald Pirckheimer, gleich zwei Peter Vischers, das kleine Einmaleins der Lebküchnerei und schon gar nicht um die Schedelsche Weltchronik drumrum.
Dennoch war mir bis ins hohe Alter vor einem Jahr, als ich literarisch konnotierte Kneipen zusammengesucht hab, nicht bewusst, wie nah ich der Schedelschen Weltchronik eine ganze Kindheit lang war. Es ist kein Schulstoff, es ist in der Faksimile-Ausgabe im Taschen Verlag von 2001 dem Herausgeber Stephan Füssel keine Anmerkung wert, es ist keine zehn Meter Luftlinie daneben beim Mais kein Wirtshausgespräch. Da muss erst wieder ich kommen.
„Der Mais“ ist, solange ich denken kann und noch länger, die Gaststätte Zum Jägerheim in Renzenhof, Altdorfer Straße 1, Ecke Hartmann-Schedel-Straße. Das war die Stammkneipe meiner Kindheit: Dahin haben, solange ich mich nicht wehren konnte, meine Eltern mich mit Vorliebe an Sonntagen verschleppt, um Schäufele für drei Personen („Für mich auch eins!“) zu verdrücken. Mittwochs war Schlachtschüssel, die 2010 eingestellt wurde, deren Metzelsuppe aber seitdem jährlich nur noch legendärer wird. Bedient wurde vom Wirt Willy Mais persönlich und seinem Bruder „Doc“, der zwischendurch gern Zaubertricks mit Zwei-Mark-Stücken vorführte, für die man junge Mädchen begrabbeln darf. Ansonsten brachte er durch nicht ganz geistlose Ruppigkeiten den so genannten fränkischen Charme in den Betriebsablauf: „Tut mir an G’falln und sauft net so schnell“ oder „I bin net der Chef, i mach des bloß unter Protest.“ Aus dem gleichen Geiste heraus haben sich die Wirtsleute Mais anno 1995 in schlecht verhohlener Trägheit erdreistet, meiner Mutter keinen Tisch für sechs Personen für ihren 50. Geburtstag zu reservieren, obwohl wir ihnen seit Jahren am Rande der Legalität als Endverteiler das Mineralwasser vom Bundesbahn-Sozialwerk für den Gastbetrieb verkauft haben. Seitdem gehen meine Eltern da nicht mehr hin, und ich komm auch nicht grade jeden Tag dran vorbei. Dabei ist die Familie Mais immerhin bis heute entweder so traditionell oder schon wieder so avantgardistisch eingestellt, um auf eine eigene Internetpräsenz zu verzichten, und das selbst nach Geschäftsübernahme durch das Enkelchen des Hauses — Kerstin, mit der mich in der Schule außer der Teilnahme an einigen Nebenfächern in der Kollegstufe leider nicht viel verband — und die 2010 unter Drangabe der Schlachtschüssel ein Minimum an abendländischen Umgangsformen (und Getränkepreisen) ins Haus getragen haben soll.
Renzenhof selbst, für das „der Mais“ im Volksmund pars pro toto steht, „wurde erstmals 1362 in den Engelthaler Klosterurkunden als Siedlung erwähnt und bereits 1425 im Waldbuch Paul Stromers als Forsthube geführt. […] Am 1. Juli 1972 wurde der Ort mit der Gemeinde Haimendorf und ihren anderen Ortsteilen Rockenbrunn, Grüne Au und Moritzberg in die Stadt Röthenbach an der Pegnitz eingegliedert“ — soweit Wikipedia. Die lebhaften Eigentümerwechsel insbesondere des Herrenhauses gegenüber vom Mais sind für den interessierten Heimatkundler unter Herrensitze dokumentiert; die heutige zu erhaltende Substanz stammt in der Hauptsache aus der Renaissance, also um die Zeit der Schedel-Familie und der Fürer von Haimendorf.
Was nun weder meinen Eltern noch mir noch mit größter anzunehmender Wahrscheinlichkeit den Wirtsleuten bewusst war: dass vor 1493 im Nachbarhaus der Nürnberger Arzt, Humanist und Historiker Hartmann Schedel vermutlich große Teile seiner gleichnamigen Weltchronik geschrieben hat. Obwohl vereinzelt gestreut zu erfahren ist, dass „dort […] Hartmann Schedel seine Schedelsche Weltchronik geschrieben haben“ soll und der asphaltierte Feldweg zwischen dem Gasthof und dem Herrenhaus vielsagend Hartmann-Schedel-Straße heißt, ist das Herrenhaus im heutigen kollektiven Gedächtnis als „der spinnerte Renzenhofer Turm mit der Sonnenuhr“ verankert und wird seit etwa 1847 privat bewohnt.
Die aktuelle Entwicklung ist, dass seit 2015 die Frau Diplompsychologin Julia Knoke in dem Herrensitz eine Praxis für Psychotherapie betreibt. Das ist gut: Jetzt gibt es auf einmal nicht nur eine Kneipe, in der ich vorsprechen muss, sondern sogar eine Fachkraft für Depressionen, Angststörungen, Beratung, Coaching und sogar die unter Röthenbachern zweifellos bitter nachgefragte Traumatherpie, mit der ich was zu bequatschen hätte, zum Beispiel: Machen Bausubstanzen aus dem Mittelalter unter mutmaßlichem Denkmalschutz viel Ärger, so als gewerblich genutztes Wohneigentum? Und: Erfährt man wenigstens dann etwas von einer Schedelschen Schreibstube, wenn man das Objekt kauft? Und werden darin jetzt Traumata aufgearbeitet oder Reste der reichhaltigen Mahlzeiten vom Mais aufgewärmt?
Und auch sonst: Schedel hat nachweislich aus einer umfangreichen Bibliothek geschöpft, die sich nachmals auf die Stadtbibliothek Nürnberg und die Staatsbibliothek München aufgeteilt hat. Dazu zählen ältere, handschriftliche Chroniken, Flugblätter, medizinische bis kosmologische Fachliteratur, Boccaccio und Petrarca, Ptolemäus, Strabon, Pomponius Mela, der zeitgenössische Schatzbehalter seines geistlichen Kollegen Stephan Fridolin beim nachbarlichen Verlag Anton Koberger, die Peregrinatio in terram sanctam, der Fasciculus temporum und, erstaunlich genug: das Supplementum chronicarum, das erst 1492 zu Venedig erschienen war; der Produktionsvertrag der Illustratoren Wolgemut und Pleydenwurff mit den Verlegern Sebald Schreyer und Sebastian Kammermeister stammt erst vom 29. Dezember 1491, und in dem wurde Hartmann Schedel noch nicht einmal als Texter erwähnt.
Die Fragen sind also: Wie kam der Nürnberger Patrizier und Stadtphysicus ohne buchhändlerisches Liefersystem und Amazon Prime so schnell zu einem derart aktuellen Werk und konnte es neben so vielen anderen in einem solchen Tempo ohne Übersetzung lesen, verstehen und ausschöpfen? Wie kommen die Nürnberger Stadtbibse und die Münchner Stabi zu der Sammlung? Wer war wann warum und von wem befugt, mit einem Pferdewagen in Renzenhof anzurollen und Schedels Bibliothek aufzulösen? Was hat Schedel in seinen Arbeitspausen gemacht — konnte er schon schnell mal über die Straße „zum Mais“, der im übrigen erschütternd nachlässig dokumentiert ist, und was haben die damals für eine Brauerei geführt (Simon gibt’s erst seit 1875)? Musste er regelmäßig bei seinem Verleger — im Falle der Chronica nur Auftragsdrucker — Koberger in der Nürnberger Gasse unter der Veste 3, der heutigen Burgstraße, zu Guidance-Meetings vorsprechen, um wieder ein paar Milestones zu killen, seinerzeit in einfacher Richtung ungefähr eine Tagesreise? Konnte er von seinem dritten Stock aus bei klarem Wetter über den Nürnberger Reichswald hinweg die Nürnberger Burg anschauen oder hat er im Erdgeschoss geschrieben? Kamen die Grafikkollegen Wolgemut und Pleydenwurff oft zu Besuch, um am Layout zu arbeiten? Und ging es schon damit los, dass er seinen Text einkürzen musste, „weil die Leute Bilder sehen wollen“?
Frau Knoke wird also von Vorliegendem erfahren müssen. Wie günstig, dass sie als Freiberuflerin ja immer und überall ansprechbar sein sollte. Für alle, die zufällig nicht Julia Knoke heißen, sei nachfolgend die auf Frau Knokes Frühstücksplatz entstandene Schedelsche Weltchronik als das gewürdigt, was sie ist: die Mutter aller Nachschlagewerke, mit dem versammelten Weltwissen aller Orte und Zeiten einschließlich der Zukunft bis zum JJüngsten Gericht, deren Kunde 1493 bis in die Weltstadt Nürnberg gedrungen war — die Großmutter mithin, wenn schon nicht von Wikipedia, weil nicht jeder, der sie lesen konnte, automatisch daran mitschreiben durfte, so doch vom Brockhaus — und als vogelwilde Achterbahn aus Halbwissen und Aberglauben, bei der man abwechselnd von einem Erstaunen ins nächste fällt, wie viel und wie wenig sich sich seit 1493 geändert hat. Bei weitem nicht der erste noch der einzige Versuch einer Weltchronik seit der mittelhochdeutschen Zeit, aber einzigartig als Versuch, in humanistischer Weise Naturerkenntnis, christliche Religion und Philosophie zu vermitteln — und wertvoll für ihre umfassenden, detailgenauen Abbildungen von Städten, die allerdings keinem modernen Verständnis von Realitätsnähe entsprechen.
Zur zeitlichen Einordnung regierte um die erste urkundliche Erwähnung des Renzenhofer Herrensitzes gerade der 2016er Jubilar Karl IV. seit 1355 als Kaiser. Die Jahreszahl der Chronica 1493 bedeutet auch: gegen Ende der ersten Reise von Kolumbus — also genau an der Zeitenwende zur Neuzeit, als die Erde aus direkter Anschauung und Erfahrung eine Kugel geworden war — siehe auch: Martin Behaims Erdapfel, Nürnberg 1492 — und sich die Ausläufer des Spätmittelalters nach jeder möglichen Definition in einer Vor-Zeit verloren.
Da sieht man wieder, wovon Kultur abhängt. Wenigstens sind die Knokes gewohnt, Verrückte ins Haus zu lassen.
Ich bringe daher nachfolgend ungekürzt die Urgroßmutter aller Lexikoneinträge über Nürnberg. Die Taschen-Ausgabe liegt mir vor: Über Renzenhof, soweit ich sie überblicke, schweigt sich die Chronik aus.
Von der Nürnberger Chronik, internationaler Nuremberg Chronicle, wie sie überall außer in Deutschland gängiger heißt, wurde eine deutsche Ausgabe für den heimischen und eine lateinische für den gesamteuropäischen Markt gefertigt. Die Versionen sind nicht deckungsgleich übersetzt, die Artikel über Nürnberg bringen wegen der unmittelbaren Ortsnähe der Gestalter aber jeweils das gesamte Wissen, das nur aufzutreiben war. Dazu wurde es nicht zwingend aus der vorfindbaren Wirklichkeit oder von zuverlässigen Autoritäten übernommen, sondern stellenweise frei erfunden: Etwa die Etymologie des Ortsnamens aus „Neroberg“ kann nur dem Nachweis des ehrwürdigen Alters der Stadt aus römischer Zeit (erste urkundliche Erwähnung: A.D. 1050) und damit ihrem Prestige dienen: ein frühes Beispiel für Stadtmarketing. Dafür ist die bildliche Nürnberger Darstellung von Michael Wolgemut auf einer ganzen Doppelseite vermutlich nach dem Augenschein gefertigt, also die verlässlichste Abbildung einer Stadt aus dem ganzen Zeitraum (heute wird sie nur für die richtig teuren Gold-Elisen-Lebkuchendosen verwendet). Der Text nimmt die ganze folgende Doppelseite ein, womit Nürnberg am ausführlichsten in der ganzen Chronica behandelt wird.
——— Hartmann Schedel:
Register Des buchs der Croniken und geschichten –
mit figuren und pildnüssen
von anbeginn der welt bis auf dise unnsere Zeit
Das sechst alter der werlt
Verlag Anton Koberger, Nürnberg 1493, Blat C verso, Blat CI recto:
Nurmberg ist in gantzem teütschen land vnd auch bey eüßern völckern ein fastnamhaftige vnd weyt besuchte stat. Ein berümbts gewerbhaws teüscher land. vnd mit schönen gemaynen vnd sundern gepewen gezieret. Ein konigliche fast alte burg fürscheint ob eim berg vber die statt auff. daruon ist ein gesichte in die statt vnd darauß. Ettlich maynen das der statt ir namen von derselben burg entsprungen sey. So sprechen ettlich. das sie von Tiberio nerone dem kayser nach Resgenspurg gepawet. oder von Druso nerone seinem bruder (der die teütschen bestritten hat) Neroberg genant worden sey. dann Tiberius der keyser zohe sein vaterlichs geslecht von Tiberio nerone. Derselb het (als Swetonius tranquillus schreibt) Liuiam Drusillam also schwangere. vnd doch auch dauor bey ime eins suns genesen. dem Octauiano auff sein begeren ergeben. vnd starb vnlang darnach. vnd ließ hinder ime die zwen sün Tiberium vnd Drusum nach ime Nerones zugenambt. dann Nero bedeüt nach sabinischen gezüng souil als starck oder gestreng. Nachfolgend hat der Tiberius Burgundien vnd Franckreich. die von einlawffung des barbarischen volcks. vnd auß zwittracht der fürsten vnruoesam waren geregiert. vnd darnach die krieg amm öberen kies. amm Lechfeld. an der Thonaw vnd in theütschen landen nacheindander gefürt. vnd in den selben kriegen die Algewer vnd auch die Dalmacier ernidergelegt vnd sunderlich in dem teuetschen krieg bey xlm. ergebener menschen in Galliam gefuert vnd sie bey dem gestadt des Rheins in wonung vnd bleibung nidergesetzt. darumb zohe er mit zierlichen sygzaichen nach Römischem sytten geschmücket frölich gein Rome. Aber sein glori vnd machtigkeit wardt darnach mer vnd mer erweytert. da er dz gantz kriechenland das innerhalb welschs lands vnd dem Norkewischen [?] reich vnd traciam vnd Macedoniam vnd zwischen der Thonaw vnd dem Adriatischen meer ligt zu gehorsam vnnd ergebung gebracht het. Diser Claudius tiberius nero (als Eutropius setzt) was ein kluog man in den wafen vnd glückhaftig genuog vor seiner angenomner herrschung. vnd schaffet das die stett mit seinem namen genent werden solten. Aber die allereltisten bücher der geschihtbeschreiber haißen dise burg ein norckewisch geschloß. dann auff das die Römer den feynden die sich nach dem gepirg enthielten ir vberziehung weeren möchten so paweten sie an den bergen des Norckaws vnd in vil gegenten teützsch lannds bürg vnd geschlösser. also hat auch dise statt ein einige höh darauff dise alte burg zu huot der statt gepawen ist. Vnd wiewol (als der hohberümbt babst Pius der ander von diser statt schreibt) ein zweifel ist ob sie des Frenckischen oder Bayrischen lands sey. so zaigt doch ir namen an das sie zum Bayer land gehöre. so sie doch Nörmberg. gleich als Norckaws berg geheißen wirdt. dann die art oder gegent zwischen der Thonaw vnnd Nörmberg gelegen heißt das Norckaw. Dise statt ligt aber in dem Bambergischen bisthumb das zu Francken gehört. doch wöllen die Nürmberger weder Bayern noch Francken aber ein drittes besunders geslecht sein. Dise statt wirdt durch ein fliessends wasser die Pegnitz genannt enmitten getaylt in zwu stett. so kombt man von einer in die andern auff vil schönen staynin prugken vber dasselb wasser auffgerichtet. vnd ist auff eim vnfruchtpern vnnd sandigen erdpoden erpawen. vnd auß diser vrsach alda ein arbeitsams emsigs volck. dann alle die. des gemaynen volcks sind entweders fastsinnreich wercklewt. erfinder vnd maister mancherlay wunderwirdiger subtiler arbait vnd kunst zum geprauch menschlicher notdurft vnd zierde dienstlich. oder aber gar anschlagig kaflewt vnnd gewerb treyber. Vnd wiewol auch dise statt von ettlichen für new geachtet wirdt darumb das in den schrifften der alten wenig dauon geschriben gefunden werde. vnnd auch keynerlay fuoßstapffen oder anzaigung des alters darin erscheynen dann allain die vorbemelt alte burg vnd ettliche hewser. des sich doch nymant verwundern soll. denn auch von vil andern treffenlichen stetten nit allain teütscher sunder Auch Welscher vnd andrer land. vnnd sunderlich von der in aller werlt berümbtisten statt Rom irs vrsprungs. alters vnd stiffters mancherlay zweifellicher wone vnd vermuotung vnder den geschihtschreibern erscheinen. yedoch so ist wissentlich das dise statt zu der zeit des großen kayser Karls in plüendem wesen gestanden ist. dann nach dem derselb Karolus ein konig zu Franckreich die kyrchen vnd auch das römisch reich auffen vnd meren wolt vnd die Sachsen gezamet vnd die Britannier vnd Gallier zu ime in pündnus gebracht. vnd auch mit Tassilone dem hertzogen zu Bayern auß volg babst Adriani friden auffgenomen het. vnd aber derselb Tassilo nach beschehner fordrung weder selbs komen noch auch die außgeding versprochen layst bürgen schicken wolt. do name Karolus wider denselben Tassilonem einen krieg für. vnd füret die heer in Bayern taylende das volck auff drey ort vnd verordnet die österreicher thüring vnnd sachssen sich bey der Thonaw zelegeren. so blib Pipinus sein sun mit dem welschen heer zu Trient. Aber karolus hielte sein wartt mit dem dritten teil des heers zu Nürmberg vnd in den nahenden enden daselbst vmb vnd pawet in form vnd gestalt seins gezeltes bey Nürmberg ein kirchlein das nachfolgend durch babst Leo den dritten. der dem benannten Karolo gein Padeporren in Sachssen nach zohe. auff dem widerweg gein Rom in sannt Katherinen der iunckfrawen vnd martrerin ere geweiht worden ist vnd yetzo zu dem alten fürt genant wirdt. Ettlich sagen das dise statt ettwen vnder des edeln herren Albrechts grafen zu Francken gewalt gewesen vnd nach absterben desselben grafen (der auß veruntreüung hattonis des bischoffs zu Maintz von kayser Ludwigen vmbracht wardt) an das Römisch reich gelangt sey. Nach dem aber dise statt an das Römisch reich komen ist so ist sie seydher mit hoher trew vnd bestendigkeit dem Römischen reich vnuerwenckt angehangen. vnd hat den römischen konigen alweg hohbestendigen glawben vnnd trew gelaystet. vnd darumb auch in zwitrachtigkeit der Römischen kayser schwere bedrangknus vnd schaden erlidden. vnd sunderlich dieweil keyser heinrich der vierd regiret. vnnd ine konig heinrich sein sun auß götlicher rachsale (als man maynet) mit krieg verfolget. Als nw die Nürmberger ir trew an seinem vater hielten do wardt die statt Nürmberg durch den sun mit hilff der seinen belegert vnd gewunnen. als dann die glawbwirdigen geschihtbeschreiber Otto frisingensis vnd Gotfridus viterbiensis beschreiben Derselb konig Heinrich zohe gein Wurtzburg vnd setzet bischoff Erlongum ab vnd Robertum ein. darnach ließe er die Sachsen haym ziehen vnd eroberte mit den Bayern das Norckawisch schloss zu Nuemberg. als er das zwen monat oder mer belegeret het do zohe er gein Regenspurg in die hawbtstat des Norckawischen hertzogthumbs den volget der vater alßpald nach. vertribe den bischoff Robertum vnd setzet Erlongum wider ein. do zohe er fürter vnnd veriaget mit hilff der von Regenspurg den sun auß der statt vnd setzet daselbst bischoff Ulrichen ein. vnd zerstöret durch die Beheim die Marckh Theobaldi. Konig Conrad der Schwab. der nach absterben Lotharij zu römischem konig erclert wardt. vnd auß rat sant Bernharts einen heerzug wider die vnglawbigen fürname hat dise statt wider auffgerichtet vnd ein löblich closter vnd abtey sant Benedicten ordens zu sant Egidien genant an eim gelegnern enden der statt gestiftet. vnd ist auch die statt durch nachfolgend hilff stewr vnnd begnadung desselben konig Conrats vnd anderer römischen kaiser vnd konig zu auffung komen. Aber nit ist zeglawben das sie vomm anfang irer widerauffrichtung solcher zierde vnnd weyte gewesen sey. sunder sie ist zu den zeitten Karls des vierden römischen keysers vnd konigs zu Beheym mit weiterm vmbkrais eingefangen vnd mit newen zinnen vnd mit eim weytten vnd tieffen gerigs vmb die stat gefürten graben. vnd mit iijc. lxv. thürnen. ergkern vnd vorwern an den zwayen innern mawrn gemeret vnd mit fast weiten vnd festen inwonungen gezieret vnd schier in den mittel teütschs lands gelegen. vnd die burgere daselbst haben auß vnderrichtung keiserlicher gesetze eins ratspflegnus vnd burgermaisterliche ordnung von der gemaynd vnderschiden. dann die burgere des herkomens von alten erbern geslechten daselbst pflegen gemayner statt sachen. so wartet die gemaind irer henndel. In diser statt sind vil weyte vnd wolgezierde gotzhewßer. auch zwu pfarr. sant Sebalds vnd sand Laurentzen kirchen. vnd der petlörden vier wolerpawte clöster die die burger in mancherlay zeiten aufgerichtet haben. Die geistlichen iunckfrawen haben daselbst zway clöster Eins zu sant Katherein. das ander zu sant Clara genant. So haben die teütschen herren ein große weitte der statt innen. Da ist auch ein Cartheüser closter an großtatigkeit des gepews fast weit vnd schön. Auch ein konigclicher wolgezierter sal der allerhailigsten iunckfrawen Marie amm marck mitsambt einem aller schönsten prunnen. Dise statt frewet sich nicht wenig irs konigclichen patrons sant Sebalds der in seinem leben vnd mit wunderwerken also erleüchtet gewest ist das er auch dise statt erleüchtet hat. Sie frewet sich auch der keyserlichen zaichen. als des mantels. schwerter. scepters. der öpffel vnd kron des großen keyser Karls die die zu nümberg bey ine haben. vnd die in der krönung eins römischen konigs von der heiligkeit vnnd alters wegen einen glawben geben. so wirdt auch dise statt sunderlich hohgezieret mit dem vnerschetzlichen vnd götlichsten sper. das die seyten Jhesu cristi am creütz geoffent hat. Auch mit einem mercklichen stuck des creützs vnd anderen in der gantzen werlt zewirdigen heilthumen. die ierlich zu österlicher zeit offentlich daselbst mit großer solennitet vnd zierlichkeit gezaigt werden.
Der heilligen streyttenden kirchen grundfestungen darauff sich das gantz zimmer diss gepews vertrawenlich steüert sind die heiligen apostel. dann got hat dieselben als erste opffer zu hail aller völcker erwelet. Dise sind die grundseüln oder pfeyler der kirchen auff der grundfeste (on die nymant einiche andere grundfest setzen mag) die do ist Cristus Jhesus mit dem höhsten egkstayn befestigt. das die warheit die vormals in dem preyse des gesetzs vnd der propheten schwebet. durch die apostolischen pusawmen zu hail aller werlt außgienge. dann es ist geschriben. In alles ertrich ist außgegangen ir stymm. wann von inen ist die kierch entsprossen vnnd bis zum ende der werlt mit dem wort der verkündung außgestreckt. Sie haben dise kirchen mit lere. mit wunderzaichen. mit ebenpilden vnd mit pluotuergissen gepflantzt. darumb werden sie billich veter. stifter. pawere ordner. hirten. bischoff vnd wegmacher der gemaynen kirchen genant. Aber das sacrament diser gabe hat der herr also zu dem ambt aller apostel wöllen gehören. das er es in dem seligsten Petro aller apostel dem höhsten setzet. das er von ime als einen hawbt mit seiner gabe als in allen leib ergüsse. das sich der. der götlichen heymlichen verborgenheit entsetzet verstünde der von der festigkeit Petri abweichen getörste. dann der herr hatt ine in die mit verwandtschaft der vnteylpern einigkeit also genomen. das er ine das. das er selbs was nennet sprechende. Du bist Petrus vnd auff disen felsen wirdt ich pawen mein kirchen. das der paw des ewigen tempels in wunderperlicher begabung mit der gnaden gottes auff der festigkeit Petri stünde. vnd er hat dise kirchen mit seiner bekreftigung also gestercket das menschliche vermessenheit vnd frefel sie nit erraichen noch auch die hellischen pforten wider sie gesygen möchten.
Pilter: G. v. Volckamer: Das Herrenhaus und die Ökonomiegebäude von Südosten, um 1894
via Burgen und Herrensitze in der Nürnberger Landschaft;
Derzno: Renzenhof, Herrensitz, 28. Juli 2012;
Derzno: Renzenhof, Ortseingang, 28. Juli 2012. Zur linken hinter dem Baum in sommerlicher Pracht der besagte Herrensitz, rechts daneben über die Hartmann-Schedel-Straße der zugeparkte und gut besuchte Biergarten Zum Jägerheim, weil der 28. Juli 2012 ein Samstag war;
Praxis für Psychotherapie Julia Knoke, ca. 2015;
Michael Wolgemut und Wilhelm Pleydenwurff für Hartmann Schedel: Register Des buchs der Croniken und geschichten – mit figuren und pildnüssen von anbeginn der welt bis auf dise unnsere Zeit. Das sechst alter der werlt, Verlag Anton Koberger, Nürnberg 1493, Blat 99 verso und 100 recto.
Röthenbach-Feature: Manfred Eder: Röthenbach an der Pegnitz, 17. Februar 2016:
Bonus Track aus Nvremberg zur Erholung:
Carson Sage and the Black Riders (erloschen, neuerdings Secret Song Service):
Garten Mother’s Lullabye, aus: Final Kitchen Blowout, 1993:
Schlüsselein
——— Kloster Tegernsee:
Tegernseer Liebesgruß
Ludus de aventu et interitu Antichristi. Literae multae et alia excerpta ex Ottonis Frisingensis Gestis Imperatoris Friderici, Anfang 12. Jahrhundert:
Du pist min ih bin din.
des solt du gewis sin.
Du bist beslossen in minem herzen.
verlorn ist daz sluzzelin.
du muost och immer darinne sin.
Die Tegernseer Handschrift — Bayerische Staatsbibliothek München, Clm 19411, hier: Blatt 114 verso = Seite 230 — versammelt lateinische Briefe; das Gedicht ist eine Zusammenfassung des vorhergehenden Briefes, die übliche Zuschreibung an Walther von der Vogelweide also hinfällig. Die Zugehörigkeit eines Menschen zu einem anderen auf Gegenseitigkeit wird in der mittlalterlichen Literatur variantenreich formuliert, das Bild des Herzensschlüssels ist seit der Antike nachweisbar und setzt sich über Dante und Petrarca ins Volkslied fort. Die Briefschreiberin, mutmaßlich eine anonym gebliebene Benediktinernonne, verbindet wahrscheinlich selbstständig beide Topoi und zitiert eben nicht ein schon bestehendes Volkslied, weil der Inhalt des lateinischen Briefes und die deutschen Verse eng zusammenhängen. Möglicherweise sind es gar keine Verse, sondern Reimprosa, worauf das Layout der Handschrift deutet.
Bild & Text: Bayerische Staatsbibliothek/Bavarikon.
Fachliteratur: Ingrid Kasten (Hrsg.): Deutsche Lyrik des frühen und hohen Mittelalters, Deutscher Klassiker Verlag im Taschenbuch, Band 6, Frankfurt am Main 2005, Kommentar Seite 575 f.
Volksfaust 1 & 2
Update zu Die Litaneien des Körpers:
Sybil Volks wurde 1965 geboren, lebt als freie Autorin und Lektorin in Berlin und kennt sich deshalb in Faust- und Gretchendingen aus.
Ihr angenehm knapper Gedichtzyklus über Faust als Gretchen hätte seinen geeigneten Platz im nicht genug zu lobenden Unser Goethe der alten Haudegen F. W. Bernstein und Eckhard Henscheid gehabt, das aber zum 150. Todestag 1982 abgeschlossen war, und ergänzt jetzt als Original ähnlich passend das rar gewordene Liederlich! von Steffen Jacobs. Bitte kaufen, leihen oder entwenden Sie jemandem, der sowieso nix damit anzufangen weiß, umgehend beides und lesen Sie aufmerksam darin. Ich frage das nächstes Mal ab.
Frau Volks wirkt als Autorin und Lektorin, versprochen.
——— Sybil Volks:
Erstveröffentlichung in: Steffen Jacobs (Hg.):
Liederlich! Die lüsterne Lyrik der Deutschen, Eichborn Berlin, 2008:
Faust I
Bin weder Mädchen, weder Mann,
zieh heute andersrum mich anDas Kleid von feinster Schlangenhaut, das Haar
von einer Höllenbraut, die Wimpern
einer abgeschaut, der Arsch
im Paradies gebautDie Herren sinken auf die Knie, besamen
sich die Hände, die Damen wissen
auch nicht wie ihnen geschieht am EndeBin zwar kein Mädchen, aber schön
Kann ungefickt
nicht nach Hause gehn
*
Faust II
Ich halt um deine Hand an
die Welt steht still
Denn deine Hand liegt in mir
und ja, ich will
Du gibst mir alle Finger
damit sich’s lohnt
Behaust ist deine Faust und
ich bin bewohnt
*
Nicht nach Hause gehn: Stoya für Very Special Porn, 2016;
Soundtrack: Madonna (ja, ja, ich weiß …): Justify My Love, aus: The Immaculate Collection, 1990: