Doctor Fausti Weheklag und Höllenfahrt

Das Habe-nun-Ach für Angewandte Poesie.

Das sind die Realitäten und die muss der Mensch vertreten

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Update zu So eine Art Käse-Cocktail oder Mehl-Flip:

Was bin ich diesem Gedicht nachgerannt. Ein Radiomoderator beim Bayerischen Rundfunk hat es in meiner Kindheit in einer Faschingssendung verlesen. Von einigem Hin und Her genervt schickte er mir begleitet von einer Photokopie der Pretiose die Bitte, dass ich nächstes Mal gefälligst Rückporto beilegen sollte.

Es klingt stark nach der Feierabendlyrik unterforderter Studienräte. Weil Studienräte in ihren Fehlleitungen weit weniger Schaden damit anrichten, wenn sie Gedichte verfassen als wenn sie Knaben missbrauchen, wollen wir Zeilen wie „Das sind die Realitäten und die muss der Mensch vertreten“ oder „Gönnt dem Mond doch seine Krater“ das Zeug zum Klassiker zugestehen. Aber hallo.

Ein Gedicht nach diesem Vorbild trug mir später siebzehnjährig mein erstes Schreiberhonorar von der Mundartseite der Nürnberger Nachrichten ein. 30 Mark. Hölle, war ich stolz. — Noch später spiegelte es meine eigene Lebensweise wider. Darauf war ich noch viel stolzer.

Es folgt die penible Abschrift der Photokopie des Moderatoren von etwa 1984. An dieser Stelle: Danke nochmal!

——— Henry Grocholl:

Promillomatorische Aphorismen

vor 1984:

William-Adolphe Bouguereau, Bacchante, 1894— „Keine Rose ohne Gräten!“ —
— Dornen trägt jedweder Fisch! —
Das sind die Realitäten
und die muß der Mensch vertreten!
— Prost Herr Ober! Durst hält frisch! —

Sportlich ist der Zug der Klimme!
— Heissa Stier, reich mir dein Horn! —
Eines echten Mannes Stimme
braucht zur Klarheit keine Kimme
denn die Wahrheit liegt im Korn!

Platz ist in der kleinsten Hütte
für ’nen Kopf und –hicks!– ein Bett!
— Ich hab Sehnsucht nach Brigitte —
Ober… noch ein Helles bitte…
— ohne Senf und nicht so fett —

Alle Schuld rächt sich auf Erden
— wehe dem, der falsch geparkt! —
Doch was helfen die Beschwerden:
Heute muß die Glocke werden!
… hat schon Wilhelm Busch gesagt…

Schämt euch, Freunde, einen Kater
an die Gasthaus-Wand zu mal’n!
Wien bleibt Wien, sowohl als Prater!
— Gönnt dem Mond doch seine Krater! —
… Prost, Herr Ober!: Bitte zahl’n…

Bild: William-Adolphe Bouguereau: Bacchante, 1894.

Paartanz: Uma Thurman und John Travolta in: Pulp Fiction, 1994,
zu Chuck Berry: You Never Can Tell, aus: St. Louis to Liverpool, 1964.

Written by Wolf

21. August 2015 um 00:01

Veröffentlicht in Nahrung & Völlerei, Novecento

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