Doctor Fausti Weheklag und Höllenfahrt

Das Habe-nun-Ach für Angewandte Poesie.

Valentinsgewinnspiel: Ich bin nichts Offizielles (geschlossen)

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Eingang Lyrik-Kabinett, Amalienstraße 83a, München

Als Organ für zeitlose Belange sollte DFWuH der Weltbumstag egal sein. Als Habe-nun-Ach für angewandte Poesie aber nicht: Verschenkt man doch am Valentinstag gemeinhin die abgeschnittenen Leichen von Blumen, sehr viel zielführender — hin auf eine gemeinsame Lotterstätte nämlich — Gedichte.

Sinnvoller war das Lyrik-Kabinett noch nie: Man verzeichnet dort etwa sieben Besucher am Tag, hat also seine Ruhe. Wenn man schon mal reinkommt, sollte man das überragende Arbeitsethos und die Kompetenz der anwesenden Stiftungsmitarbeiter fleißig nutzen und nicht bloß lustlos durchblättern, was so rumliegt. Sie sind dort großzügig mit dem Kaffee und vor allem: Man lernt wirklich jedes Mal was. Bei den abstrusen Öffnungszeiten passiert es einem schlimmstenfalls, dass man um 18 Uhr entweder hinausgebeten wird oder in eine Dichterlesung hineingerät, also kein Schaden.

Dokumentiert gehörten schon längst mal die Schilder im Durchgang zum Hinterhof der Amalienstraße 83a, in dem man zum Lyrik-Kabinett gelangt. Und weil wir alle zum Valentinstag ein Gedicht verschenken wollen, aber niemand anderem als unserem eigenen Lotterpartner, verschenke ich ganze Bücher. Das geht so:

Sie suchen sich aus den Schilderbildern unten Ihren Lieblingsgedichtfetzen aus, schreiben in den Kommentar, woher und von wem das ist, und haben schon gewonnen. Bitte bis Sonntag, den 23. Februar 2014 um 23.59 Uhr, das sollte reichen.

Es sind genug Bücher für den zu erwartenden Ansturm da. Gedichte stehen in den wenigsten, das wäre nach dieser Themenstellung zu anzüglich. Leider müssen Sie die laienhaft ausgeleuchteten und bearbeiteten Fotos lesen, weil ich davon ausgehe, dass die Leser von DFWuH auch dann lesen können, wenn sie nicht jedes Bildchen abgetippt kriegen. Viel besseres Licht herrscht in den Hauseingängen der Amalienstraße auch im Original nicht.

Es sind ganz hinreißende Fitzelchen darunter. Das erste: „Ich bin nichts Offizielles. Ich bin ein kleines Helles“ hat mich selber interessiert: Es ist das Bierlied mit Benn von Dirk von Petersdorff aus: Nimm den langen Weg nach Haus, noch ganz frisch: von 2010. Das ist also schon weg. Nur wenn Sie Ihre Liebsten mit „Es gibt Dinge, die Worte schrecken vor ihnen zurück“ zu sexuellen Handlungen zu animieren suchen, kann ich Ihnen wirklich nicht mehr helfen.

Eingang Lyrik-Kabinett, Amalienstraße 83a, München

Eingang Lyrik-Kabinett, Amalienstraße 83a, München

Eingang Lyrik-Kabinett, Amalienstraße 83a, München

Eingang Lyrik-Kabinett, Amalienstraße 83a, München

Eingang Lyrik-Kabinett, Amalienstraße 83a, München

Eingang Lyrik-Kabinett, Amalienstraße 83a, München

Eingang Lyrik-Kabinett, Amalienstraße 83a, München

Eingang Lyrik-Kabinett, Amalienstraße 83a, München

Eingang Lyrik-Kabinett, Amalienstraße 83a, München

Soundtrack für den langen Heimweg: Tom Waits: Long Way Home aus: Orphans. Disc 2: Bawlers, 2006,
hier als seltenes Mashup-Duett mit Norah Jones, das so nie aufgenommen wurde, aber „with a little computer magic“ den Valentinstag zum Tanzen bringt. Voll süüüß.

Written by Wolf

14. Februar 2014 um 00:01

Veröffentlicht in Ehestand & Buhlschaft, Novecento

4 Antworten

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  1. Ich finds ja eine überaus anrührende Idee, den Weg übern Hinterhof zu einem Lyrik-Kabinett (hach, dass es sowas gibt!) mit Gedichtfetzen auf Schilderbildern zu pflastern. Man könnt‘ das einen hübschen kleinen Trampelpfad zwischen Poesie und RealPoesie nennen – wie zielführend wohin Gedichte immer sein mögen. ;o)

    Uiii… aber aus der Fülle sich sein Lieblings-Versfitzelchen herauspicken, das ist schwer.

    Der Haus- und Hof-Heine samt seiner alten Weise vom Jehuda Ben Halevy aus den Hebräischen Gesängen, mit dem

    ‚»Bei den Wassern Babels saßen
    Wir und weinten, unsre Harfen
    Lehnten an den Trauerweiden…« –
    Kennst du noch das alte Lied?‘

    ist eh schon Lieblings-Sowieso. Erst recht für mich altes Synäst(h)ierchen: das singt und malt und schmeckt sich seine Heine-Liedln.

    Die „Priamel-Ode“ der großen Sappho von Lesbos wiederum

    ‚Ein Heer von Reitern,
    So sagen die einen,
    Fußvolk die andern,
    Schiffe wieder andere,
    Ist auf der schwarzen Erde
    Das Schönste,
    Ich aber,
    Das, was man lieb hat. ‚

    brilliert in ihrer ganzen Schlichtheit mit einem so recht zielführenden valentinischen Schlussvers. Vor allem, wenn man sich dazumalt, in welcher Schönheit selbige zu Bette ging. Und glauben will, dass die um 600 v. Chr. keine Propaganda in ihrem poetischen Sinn hatte. Oder doch? ;o)

    Mögen kann man auch den Ausriss „fiel auf eine Rose vieler Regen“, drum hab ich dem nachgekramt. Dem münchenverhafteten Lyriker Konrad Weiß, dem nie der entscheidende Durchbruch gelang und der dennoch wahrscheinlich zu Unrecht vergessen ist, kann ich (auch wenn man seine politischen Haltungen ja nicht teilen muss) durchaus was abgewinnen. Sein Gedicht

    Die eine Rose

    Während wir uns schlugen auf den Wegen,
    Wort um Worte rührten,
    was die Worte wollten, tiefer spürten,
    während wir dem Sinn entgegen
    uns durch wache Wildnis trugen,
    um ein schlafend Bild umsonst doch Worte
    wacher schickend nur sein Schlafen schürten,
    und von Ort zu Orte
    horchten und die Zungen in uns schlugen,
    fiel auf eine Rose vieler Regen.

    aus dem der Versfetzen stammt, hat auch irgendwie was Wildes und einschlägig Zielführendes in sich, wie ich finde. Und hier merkt man auch wieder, was das Schöne an Gedichten ist: dass der ganz eigene Lesende sich sein ganz Eigenes hineindeuten kann, wenner mag. Denn wer würde vermuten, dass, wie von Weiß-Kennern verlautbart, der Titel dieses in seinem letzten 1939 veröffentlichten Lyrik-Band „Das Sinnreich der Erde“ enthaltenen Verswerks ursprünglich „Sinnbild der Geschichte“ lauten und somit wohl weit Monumentaleres als valentinische Leidenschaften beinhalten sollte.

    Das „Vieles bleibt ohnehin in der Schwebe“ ist zur Abwechslung mal von einem noch Lebenden – der sogar dieses Sprüchlein irgendwie lebt: vom Mache-sich-jeder-seinen-eigenen-Reim-auf-den-Enzensberger. Vielschreiber, Ex-Nürnberger und Wahl-München-Schwabinger, der vor dir auch noch in Erlangen studiert hat. Und zwar aus dem Titel-Gedicht seines „Leichter als Luft – Moralische Gedichte“, erschienen bei Suhrkamp 1999. Besonders mag ich in dem ja die letzte Zeile (und die vorletzte) in der vierten Strophe – denn wer wöllte wohl bestreiten, dass ausnahmslos alle Walzerklänge (und Heiligenscheine) leichter als Luft sind. ;o)

    Ein Fitzelchen muss ich noch, obwohl das hier schon wieder zum Co-Referat ausufert: das erste auf dem vierten Schilderbild, wieder son synästhetisches. In dem fehlt ein kleines aber wichtiges Wörtlein. Es muss nämlich heißen:
    „Ich färbte d i r den Himmel brombeer
    mit meinem Herzblut…“
    und ist von Else Lasker-Schüler, aus einem ihrer leidenschaftlichen Abschied-Liebesgedichte, an Gottfried Benn, glaub ich. Der Kafka hat sie nicht gemocht, die Lasker-Schüler, aber schließlich hat sie in meinem dienstlichen Nachbarhaus, dem Hotel „Sachsenhof“ in Schöneberg, gewohnt und eigentlich wollt ich die sogar bloggen, weil sie vor ein paar Tagen einen so halbrunden Geburtstag hatte – man will doch seine künstlerischen Nebenmieter ein bissl hätscheln. :o)

    Nu is aber Schluss. —Was ich noch sagen wollt: Das Tom Waitssche Luftballon-Mashup-Duett ist wirklich voll süüüß. Ich tanz den ganzen long way home… :o)

    hochhaushex

    21. Februar 2014 at 04:57

    • Das ist mal wieder mehr von dir, als je für ein Gewinnspiel zu erwarten wäre, und lernen kann auch jeder was. An dich gehen dann ein paar der allerschönsten zu vergebenden Bücher, außer es gehen noch einige eklatant bessere Beiträge ein, mit denen ich stündlich rechne .ò) Danke dafür!

      Wolf

      21. Februar 2014 at 08:18

      • Huch!? Achso, ja, war ja ein Gewinnspiel. Weißt du, ehrlich gesagt hab ich beim Stöbern, Erinnern und Schreiben total vergessen, worum es ging. Es hat einfach richtig dolle Spaß gemacht, ich hab sogar die Zeit vergessen… Danke d i r, für die wunderschöne Idee in und hinter allen Gedanken. :o)

        hochhaushex

        21. Februar 2014 at 20:18

  2. … und schon hast du gleich wieder sooo einen Berg Altpapier rumliegen .ò)

    Wolf

    22. Februar 2014 at 08:01


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