Coronadvent 0: Wie Wein in den Muscheln
Update zum Адвент 1: Über Nacht bin ich tot:
Versäumte Gedenktage: Zuerst im unseligen Jahr 2020 hatte Paul Celan (* 23. November 1920 im seinerzeit großrumänischen, inzwischen ukrainischen Czernowitz; † vermutlich 20. April 1970 in Paris) seinen 50. Todestag, „vermutlich“ sinnigerweise an Führers Geburtstag; und weil er da gerade einmal 50 Jahre alt war, hat er als letztes im unseligen Jahr 2020 seinen 100. Geburtstag.
מן השמים תנוחמו und מזל טוב!
——— Paul Celan:
Corona
für Ingeborg Bachmann,
aus: Mohn und Gedächtnis, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1952:
Aus der Hand frißt der Herbst mir sein Blatt: wir sind Freunde.
Wir schälen die Zeit aus den Nüssen und lehren sie gehn:
die Zeit kehrt zurück in die Schale.Im Spiegel ist Sonntag,
im Traum wird geschlafen,
der Mund redet wahr.Mein Aug steigt hinab zum Geschlecht der Geliebten:
wir sehen uns an,
wir sagen uns Dunkles,
wir lieben einander wie Mohn und Gedächtnis,
wir schlafen wie Wein in den Muscheln,
wie das Meer im Blutstrahl des Mondes.Wir stehen umschlungen im Fenster, sie sehen uns zu von der Straße:
es ist Zeit, daß man weiß!
Es ist Zeit, daß der Stein sich zu blühen bequemt,
daß der Unrast ein Herz schlägt.
Es ist Zeit, daß es Zeit wird.Es ist Zeit.
Bild: Paul Celan und Ingeborg Bachmann, via Thalia Theater: Bachmann — Celan, Hamburg 2009.
Dankeschön an לאה זאננעכער!
— mit dem Bonus Track: ДахаБраха: Карпатський реп, aus: Light, 2010:
Danke!
arnoldnuremberg
3. Februar 2021 at 23:43